Kohlekraft ohne Reue

Tuomo Hatakka, der Chef von Vattenfall Europe, erklärt die Kohlekraft für alternativlos und verspricht CO2-Abscheidung. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell hält das für ein „Lotteriespiel“

VON GERNOT KNÖDLER

Der Energiekonzern Vattenfall verspricht Kohlekraft ohne Reue. Sein Konzern werde das geplante Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg so nachrüsten, dass 95 Prozent des Treibhausgases nicht in die Atmosphäre gelangten, sagte der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka, am Dienstag in Hamburg. Die Technik zur Abscheidung und -Lagerung von Kohlendioxid (CCS) werde kommen. „Das ist eine Glaubwürdigkeitsfrage für uns“, versicherte Hatakka.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell warnte die Energieversorger dagegen vor dem „unbeherrschbaren finanziellen Risiko“, das die Pläne für Kohlekraftwerke mit sich brächten. „Der explodierende Anstieg der Kohlepreise, der Investitionskosten und der CO2-Preise machen jede Wirtschaftlichkeitsberechnung zum Lotteriespiel“, sagte er der taz.

Fell geht davon aus, dass die Kohlepreise in den kommenden Jahren stark steigen werden, „vor allem weil bei der Kohle inzwischen ähnliche Verknappungstendenzen auf dem Weltmarkt vorherrschen wie beim Erdöl“. Am Spotmarkt koste eine Tonne Kohle derzeit zwischen 140 und 160 US-Dollar – fast doppelt soviel wie 2006. Bei dem aktuellen Dollarkurs und steigenden Transportkosten bedeute das für den in Hamburg geplanten Wirkungsgrad von 46 Prozent einen Kohlepreis von bis zu 33 Euro pro Megawattstunde. Wirtschaftlichkeitsrechnungen von Kohlekraftwerken gingen aber von einem langfristigen Kohlepreis von 25 Euro aus. Außerdem würden zu dem Kohlepreis steigende Kosten für CO2-Emissionen kommen. Die EU-Kommission rechne ab 2013 mit 70 Euro pro Tonne. Gewöhnlich rechneten Investoren mit 20 bis 35 Euro, sagte Fell.

Auch der Bau der Kraftwerke könne sich verteuern. Sollte der Trend der Jahre 2005 bis 2007 anhalten, dürften die Investitionskosten 2010 seiner Schätzung nach bei 2.100 bis 2.300 Euro pro Kilowatt Leistung liegen. Bei Steinkohle würden derzeit 1.600 bis 2.000 Euro angesetzt. „Es ist zu erwarten, dass mit solchen Annahmen Investitionen in Kohlekraftwerke genauso unwirtschaftlich werden, wie Investitionen in Energieanlagen auf Erdölbasis“, sagte Fell. Ein Mix aus erneuerbaren Energien werde ab Mitte des kommenden Jahrzehnts wesentlich billiger sein als Kohlestrom.

Vattenfall-Vorstand Hatakka sieht das anders: Die Kohle sei unter allen fossilen Energieträgern am reichlichsten vorhanden und zudem am gleichmäßigsten verteilt. In Form der Braunkohle sei sie Deutschlands einzige strategische Energiereserve. „Wir kommen an der Kohle nicht vorbei“, folgerte Hatakka vor dem CDU-Wirtschaftsrat. Großkraftwerke auf Basis des CO2-ärmeren Erdgases seien eine Illusion. Hatakka: „Auf Gasbasis werden Strom und Wärme Luxusartikel.“

Hatakka setzt darauf, dass die neuen Kohlekraftwerke effizienter arbeiten und immer weniger CO2 ausstoßen. Vattenfall werde im August eine 30-Megawatt-CCS-Pilotanlage in Brandenburg in Betrieb nehmen. Bis 2030 wolle Vattenfall seine Emissionen halbieren – bezogen auf die Energiemenge.