schläger-urteile
: Mit Augenmaß gegen Gewalt

Am selben Tag werden die pressenotorischen Münchner U-Bahn-Schläger zu Haftstrafen von zwölf beziehungsweise achteinhalb Jahren Dauer verurteilt, in Bremen gibt es für den Überfall auf Roland H. „nur“ zwei Jahre auf Bewährung – für einen Angriff, der für das Opfer viel gravierender ist. Reproduziert sich hier das alte Klischee von der harten Hand des bayerischen Rechtsstaats und der norddeutschen Kuschelpädagogik?

KOMMENTAR VON JAN KAHLCKE

Man muss den Kontext hinzuziehen: Die Münchner Tat wurde von einer hysterischen Presse überregional zum Fanal einer neuen, vom hessischen Wahlkämpfer Roland Koch (CDU) ausgerufenen „Ausländerproblematik“ stilisiert. Offenbar hat sich das Gericht dadurch zu einem Urteil wegen versuchten Mordes nötigen lassen – in München so absurd wie in Bremen, weil beides spontane Angriffe waren.

In der örtlichen Boulevardpresse hat es auch im beschaulichen Bremen ein erhebliches Maß an Vorverurteilung gegeben, das Outing der Beschuldigten in der Naziszene kommt erschwerend hinzu. Das Gericht hat diese Faktoren pflichtgemäß als strafmildernd gewertet.

Dem Opfer hätte eine möglichst hohe Haftstrafe ohnehin nichts genützt, der Allgemeinheit eher eine gelungene Resozialisierung, die nach einer Bewährungsstrafe oder einem Anti-Aggressionstraining wahrscheinlicher ist als nach Jahren im Knast.