Krippenkinder gehen vor

In Hannover fehlen über 1.000 Hortplätze. Mit einem Notprogramm sollen Eltern selbst die Betreuung regeln. Doch am letzten Schultag vor den Sommerferien ist unklar, ob es Geld dafür gibt – für arbeitende Eltern ist das ein Problem

Jana Kobytzki ist stolz, dass sie eine Arbeit hat. Die 25-Jährige hat eine fünfeinhalbjährige Tochter und war lange auf staatliche Unterstützung angewiesen. „Ich habe es geschafft, vom Arbeitsamt wegzukommen“, sagt sie. Jetzt ist sie ausgebildete Bürokauffrau und hat eine feste Stelle. Doch wenn sie an die Einschulung ihrer Tochter denkt, bekommt die allein Erziehende Angst. „Ich habe mein Kind schon bei viele Horten angemeldet. Überall heißt es, wir haben keine Plätze.“

So wie Jana Kobytzki ging es vielen Eltern in Hannover. „Wir bekommen aus mehreren Stadtteilen Beschwerden, dass Hortplätze fehlen“, sagt Georg Weil vom Kita-Stadtelternrat. Doch die Stadtverwaltung habe stets gesagt, der Bedarf sei gedeckt.

Bedarf besteht zum Beispiel im Stadtteil Kleefeld, wo Kobytzki wohnt. Dort hatte Kita-Elternvertreter Matthias Wesemann im November auf eigene Faust eine Elternbefragung durchgeführt und herausbekommen, dass 172 Plätze fehlen. Die Verwaltung bestritt diese Zahl und sprach nur von 63 Kindern auf der Warteliste.

Der Kita-Elternrat ließ nicht locker und machte auf einer öffentlichen Sitzung des Jugendhilfeausschusses im April mit 30 Eltern seinem Unmut Luft. Mit dem Erfolg, dass die Verwaltung zur nächsten Sitzung im Juni erstmals einen stadtweiten Überblick der Wartelisten erstellte. Das Ergebnis ist für die rot-grüne Stadtregierung erschreckend. Zwar bietet Hannover schon für 27 Prozent aller 16.786 Schulkinder eine Nachmittagsbetreuung an. Doch das reicht nicht. Nach einem Abgleich der Wartelisten von 129 Horten bleiben zum neuen Schuljahr 1.061 Kinder unversorgt.

„Alle Welt redet von Krippenplätzen. Aber wenn nach sechs Jahren das Kind zur Schule kommt, fällt man in ein Loch“, sagt Susanne Klyk von Kita-Stadtelternrat. Manche Eltern würden nicht mehr mal auf eine Warteliste aufgenommen.

„Der Betreuungsbedarf der älteren Kinder wurde anders eingeschätzt“, sagt Konstanze Kalmus, Sprecherin der Stadtverwaltung. Aber 1.000 Plätze zu schaffen, übersteige die Möglichkeiten der Stadt. Kalmus: „Wir als Kommune müssen Rechtsansprüche erfüllen, vor allen Dingen für die Minis.“ Gemeint sind die unter dreijährigen Krippenkinder, für es ab 2013 eine Platzgarantie geben soll.

Um den Eltern von Hortkindern entgegenzukommen, stimmten die Rats-Fraktionen von SPD und Grünen im Juni für einen Antrag auf „Sofortmaßnahmen im Bereich Schulkinderbetreuung“. Dies setzt allerdings voraus, dass die Eltern aktiv werden. Nach einem Konzept, dass bereit 1998 erprobt wurde, können sie selbst Betreuer anwerben und in Schulräumen einen provisorischen Mini-Hort errichten. Schulergänzende Betreuungsmaßnahmen, kurz SBM, heißt das Modell, für das die Stadt nach Angaben der grünen Jugendpolitikerin Ingrid Wagemann 46.000 Euro pro Jahr und Gruppe bereitstellt. „Sollte es Eltern geben, die in der Lage sind, das umzusetzen, wird es SBM geben“, sagt Wagemann. Der erste mögliche Starttermin sei der 1. August.

Der Kita-Stadtelternrat steht dieser Lösung zwiegespalten gegenüber und wundert sich, dass sie nicht offensiv beworben wird. „Es ist schwer, darüber etwas in Erfahrung zu bringen“, sagt Matthias Wesemann, der überlegt, in Kleefeld so etwas zu initiieren.

Und in der Tat bremst die Verwaltung. „Auch ein Notprogramm muss erst mal beschlossen sein, weil es Geld kostet“, sagt Sprecherin Kalmus. Der rot-grüne Antrag müsse noch durch den Verwaltungsausschuss, der erst Ende August tagt. „Solange da nichts beschlossen ist, wäre ich sehr vorsichtig.“ Starten könne die Sache „frühestens Ende September“. Nur hat die Schulzeit für die ABC-Schützen dann längst begonnen. KAIJA KUTTER