Bürgersteige bald per Internet begehbar

Der Google-Konzern knipst deutsche Großstädte und will diese dann in Komplettansicht ins Internet stellen

BERLIN taz ■ Das Fahrzeug ist unscheinbar: Auffällig an dem schwarzen Kleinwagen ist allein eine runde Konstruktion auf dem Dach, die ein wenig nach Flugzeugradar aussieht. Mit solchen Vehikeln fahren Abgesandte des Internetkonzerns Google seit kurzem durch deutsche Großstädte und fotografieren automatisiert die Umgebung.

Eingespeist werden die Aufnahmen in einen Onlineservice, der sich „Street View“, Straßenansicht, nennt. Er ist Teil des populären Routendienstes Google Maps und soll dessen Satellitenbilder und Kartendarstellungen um hochauflösende Aufnahmen aus der Bürgersteigperspektive ergänzen – in Berlin oder München bleibt kein einziges Haus verschont.

Bislang hatte Google sich vor allem auf Nordamerika konzentriert. Nun ist auch Europa dran. Das Berliner Modell, ein simpler Opel Astra, trägt insgesamt sechs digitale Kameralinsen auf dem Dach. Nach der Digitalisierung dürfte es wenige Monate dauern, bis das Material online ist.

Was Privatsphärenschützer wie der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert für einen potenziellen Datenschutz-GAU halten, der einer „Auskunftei über die Wohnverhältnisse in der gesamten Republik“ gleichkäme, sieht man bei Google ganz gelassen. Zur Wahrung der Privatsphäre werde man Gesichter und Kfz- Kennzeichen unkenntlich machen, sagte Peter Fleischer, für den Bereich Privatsphäre zuständiger Manager bei dem Konzern, dem Focus.

Wie und ob das wirklich funktioniert, ist allerdings unklar. So tauschte Google kürzlich erst nach Kritik von Betroffenen Aufnahmen aus dem New Yorker Stadtbezirk Manhattan gegen neuere Varianten mit verschwommenem Gesichtsbereich aus. Im Central Park konnte sich ein Pferd über Anonymität freuen, während ein Bild weiter Joggergesichter gut sichtbar waren. Ob hier eine automatisierte Technik zur Gesichtserkennung Kapriolen schlug, blieb offen.

Die Aufnahmen sorgen sowieso für allerlei Spaß: In den ersten Street-View-Versionen erkannten Nutzer Menschen, die in Pornoshops gingen, öffentlich urinierten oder gar eine Waffe zückten. Auf einigen Websites werden diese Zufallsfunde festgehalten. Geknipst wird von Google aber doch nicht jeder: So ließ das US-Militär Teile seiner Gebäude aus dem Straßenkartenservice nachträglich herausnehmen.

BEN SCHWAN