Kuschelig dank Atomruine

Die Renaissance der Atomkraft treibt immer neue Blüten: Obwohl der Reaktor Krümmel noch auf unabsehbare Zeit vom Netz bleibt, soll seine Abwärme ein Schwimmbad beheizen, findet die CDU

Von MARCO CARINI

Es ist der Vorschlag des Tages zum Thema Klimawandel: Um „die Umwelt und das Klima zu schützen“, will die CDU im schleswig-holsteinischen Geesthacht künftig die „Abwärme aus dem Kernkraftwerk Krümmel (KKK) zum Betrieb des Geesthachter Freibades“ nutzen. Die Rechnung der Christdemokraten: Während der Atomreaktor Probleme hat, die Wärme los zu werden, würde in dem Schwimmbad kostengünstige Energie dringend benötigt. Ein Schönheitsfehler des kühnen Plans: Das im Volksmund als Leukämie-Reaktor verschrieene AKW liegt nach einer Pannenserie seit über einem Jahr still – und produziert entsprechend null Abwärme. Wann der Meiler wieder angefahren werden könnte, steht in den Sternen.

Auch die Betreiber des Schwimmbades, die Wirtschaftsbetriebe Geesthacht, zeigen sich von dem Vorstoß der CDU verblüfft. „Wir haben eine eigene Kraft-Wärme-Kopplungsanlange und eine Absorber-Solaranlage, produzieren gerade im Sommer damit mehr Abwärme, als wir für den Schwimmbad-Betrieb brauchen“, sagt der zuständige Mitarbeiter des Betreibers, Klaus Angsten-Erichsen – „das soll auch so bleiben“. Angsten-Erichsen, der nach eigenem Bekunden „zum ersten Mal“ von dem CDU-Wärmekonzept hört, „bezweifelt“, dass ein Schwimmbadbetrieb mithilfe von Abwärme aus dem Atommeiler „von unseren Kunden emotional akzeptiert werden würde“.

Ivo Banek, Sprecher des Stromkonzerns Vattenfall, der den Meiler betreibt, wird noch deutlicher: Es sei „totaler Quatsch“, die Abwärme eines Kernkraftwerks, das Strom für eine ganze Großstadt produziere, für ein einzelnes Schwimmbad nutzen zu wollen. Da seien „die Dimensionen total verrutscht“, so Banek. Die Abwärme könne „ganz Geesthacht“ mit Wärme versorgen – das aber sei politisch nicht gewollt.

So drängt sich der Eindruck auf, dass die Geesthachter CDU die Abwärme-Zwangsbeglückung der Badeanstalt vor allem fordert, um noch einmal deutlich zu machen, dass aus ihrer Sicht die Laufzeit von Krümmel „zwangsläufig“ an „die Entwicklungen angepasst werden muss“.

Von einem Comeback der sich in Dauerreparatur befindenden Atommeiler in Krümmel und Brunsbüttel geht auch Vattenfall aus: In diesen Tagen verschickt der Stromkonzern rund 50.000 Broschüren an die Anwohner beider Kraftwerke, in denen Tipps für den Schutz der Bevölkerung bei Atom-Unfällen gegeben werden. Die Überarbeitung der Notfall-Ratgeber erfolge „turnusmäßig“, sagt Banek und so unterscheiden sich die Heftchen kaum von denen, die vor fünf Jahren auf den Markt kamen: Türen und Fenster schließen und ab in den Keller, lautet auch diesmal der Vorschlag für den Fall, dass eine radioaktive Wolke über das Gebiet ziehen sollte. „Wir haben das Layout verändert und einige Telefonnummern aktualisiert“, erläutert Banek den begrenzten Neuigkeitswert der Drucksachen.

Bei so viel Wirbel um zwei abgeschaltete Atommeiler mag dann auch die norddeutsche Anti-Atombewegung nicht schweigen. Die Initiative „x-tausendmal quer“ kündigte gestern an, sie nehme „die Aufforderung zum Tanz an“: Wer jetzt Laufzeitverlängerungen für Altmeiler fordere und den Atomkonsens aufkündige, werde „Widerstand ernten“, heißt es in einer Mitteilung. Für die Protestbewegung, sagt Initiativen-Sprecher Jochen Stay, gehe es nun darum, „gesellschaftlichen Druck“ zu organisieren gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg.