Altpapier in die Tonne getreten

Mit Hilfe der Gerichte versucht der private Altpapier-Entsorger Remondis durchzusetzen, dass er seine blauen Tonnen aufstellen darf. Von den Kommunen wird er dabei ausgebremst. Nun muss das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entscheiden

Die Remondis AG & Co. KG ist das größte deutsche Unternehmen der Kreislaufwirtschaft mit Sitz in Lünen (NRW). Der Entsorgungsdienstleister für mehr als 20 Millionen Menschen sammelt und bereitet mehr als 20 Millionen Tonnen Abfall auf. Die Remondis-Gruppe ist mit einem Gesamtumsatz von vier Milliarden Euro und 17.000 Mitarbeitern, davon rund 1.850 im Ausland, einer der weltweit größten privaten Verwerter. Sie verfügt über Niederlassungen und Anteile an Unternehmen in 21 europäischen Ländern sowie in China, Japan, Taiwan und Australien.  MAC

VON MARCO CARINI

Der Krieg um die Verwertung von Altpapier zwischen den kommunalen Entsorgungsbetrieben und den privaten Verwertern geht weiter: Kein Tag ohne neue Gerichtsurteile, kein Tag ohne eine neue amtliche Verfügung, die den Privaten das Aufstellen blauer Papiertonnen untersagt. So wurde am Mittwoch ein aktuelles Urteil des Hamburger Oberverwaltungsgerichts bekannt: Es untersagt dem Marktführer Remondis in einem Eilverfahren bis auf weiteres, seine Sammelbehälter auf dem Boden der Hansestadt aufzustellen.

Tags zuvor hatte das Tiefbauamt Hannover einen Aufstellungsantrag von Remondis mit der Begründung ausgebremst, er sei „zu pauschal“ formuliert worden. Baudezernent Uwe Bodemann verlangt nun von dem Entsorger, für jede einzelne Tonne müsse nachgewiesen werden, ob ihre Aufstellung ein „Verkehrshindernis“ darstelle.

Hintergrund für den Streit, der derzeit zahlreiche Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Nordländern beschäftigt, ist die Preisexplosion für den Rohstoff Altpapier in den vergangenen Monaten. Allein 2007 stieg der Preis pro Tonne Altpapier um rund 50 Prozent. Fast überall reagierten die privaten Verwerter schneller als die öffentlichen Entsorger – doch die wollen den lukrativen Markt nicht teilen.

Die Auflagen von Hannovers Baudezernent verstießen „gegen die Grundsätze eines fairen Wettbewerbs“, klagt Remondis-Sprecherin Monika Hotopp. Sie kann darauf verweisen, dass das Verwaltungsgericht Hannover Remondis im Mai erlaubte, seine Sammelgefäße in der Region Hannover aufzustellen. Und das Lüneburger Oberverwaltungsgericht habe in der vergangenen Woche den Privaten ausdrücklich ausdrücklich zugebilligt, Niedersachsen mit blauen Tonnen zu bepflastern.

Laut Remondis stehen schon rund 40.000 Tonnen im hannoverschen Umland zwischen Neustadt und Lehrte, Laatzen und Sehnde. 75.000 Blaudeckelbehälter in der niedersächsischen Landeshauptstadt sollten in den kommenden Monaten hinzukommen – deren Standorte sollen nun Fall für Fall im Rahmen des Sondernutzungsrechts für Verkehrsflächen beantragt, geprüft und beschieden werden. Das nächste Gerichtsverfahren steht damit vor der Tür.

Entschieden hat derweil das OVG Hamburg – wenn auch nur vorläufig. Auf eine Beschwerde der Stadtentwicklungsbehörde hin korrigierten die Richter einen Verwaltungsgerichtsbeschluss von vergangenem April, der Remondis die Lizenz zum Sammeln erteilte. Das OVG urteilte nun: Einer gewerblichen Altpapiersammlung „stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen“, da diese „das in Hamburg bestehende Rücknahmesystem der Stadtreinigung für gebrauchte Verkaufsverpackungen existentiell“ gefährde. Bislang hat Remondis in Hamburg rund 3.000 blaue Tonnen an Privathaushalte ausgeliefert, die sie jetzt nach Auffassung der Stadtreinigung „sofort wieder einsammeln“ muss. Neben der Stadtreinigung begrüßte auch die Hamburger SPD den Beschluss: Sie will durch eine Gesetzesänderung erreichen, dass kommerzielle Unternehmen nur dann Altpapier einsammeln dürfen, wenn es der kommunale Entsorgungsträger ausdrücklich erlaubt.

Für Remondis-Bundessprecher Michael Schneider ist die Urteilsbegründung „nicht nachvollziehbar“; sie stehe zudem „im krassen Widerspruch zu fast allen Gerichtsurteilen zu der Altpapiersammlung privater Entsorger“. Mit „harten Bandagen und juristischen Winkelzügen“, so Schneider, würden Städte und Kommunen gegen die privaten Verwerter kämpfen, die schneller als die öffentlichen Betriebe auf die Explosion des Papierpreises reagiert hätten. Zwar würden die Remondis-Juristen den Hamburger OVG-Beschluss „derzeit noch prüfen“ – klar aber sei, dass Remondis kein Interesse daran habe, dieses Urteil „zum Präzedenzfall“ werden zu lassen.

Während das Verwaltungsgericht Göttingen am 30. Juni grünes Licht für die privaten blauen Tonnen in der Universitätsstadt gab, geht ein anderes Verfahren vor das Bundesverwaltungsgericht. Dieses ist nun gefragt, einen Grundsatzbeschluss zum Thema zu fällen. Bereits im April kassierte das OVG Schleswig ein Aufstellungsverbot der Stadt Kiel, ließ aber wegen der „grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zu. Doch bis dieses entscheidet werden die Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte noch viel Altpapier produzieren müssen.