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Archiv-Artikel

Einstürzende Hauptschulen

Hamburg schafft die Verliererschule ab. Dies ist der Beginn des Aussterbens dieser Schulform

RÜCKBAU DER HAUPTSCHULE

Schleswig-Holstein (CDU/SPD): Längeres gemeinsames Lernen macht die neue Schulart „Regionalschule“ möglich. Zum kommenden Schuljahr gehen in Schleswig-Holstein 35 Regionalschulen an den Start. Ab 2011 soll es statt Haupt- und Realschulen nur noch Regionalschulen geben.

Rheinland-Pfalz (SPD): Vom Schuljahr 2009/10 an wird der Hauptschulabschluss unter dem Dach der Realschule plus angeboten. Die eigenständigen Hauptschulen sollen bis zum Jahre 2013 schrittweise abgeschafft werden. Daneben existieren wie bisher Gesamtschule und Gymnasium.

Hessen (geschäftsführende CDU-Regierung): Kultusminister Jürgen Banzer hat vorgeschlagen, Haupt- und Realschüler nach der Grundschule für ein oder zwei Jahre gemeinsam zu unterrichten. Hintergrund seiner Überlegungen sind sinkende Schülerzahlen, insbesondere für Hauptschulen gibt es mancherorts kaum Anmeldungen. An der Hauptschule will er aber festhalten. ALE

AUS HAMBURG UND BERLIN K. KUTTER UND A. LEHMANN

Hamburg schreibt Bildungsgeschichte. Auf Antrag von CDU und Grünen hat die Bürgerschaft am Mittwoch die Hauptschule aus dem Schulgesetz gestrichen. Damit zieht Hamburg als eines der ersten unionsgeführten Bundesländer die Konsequenzen aus dem schleichenden Verschwinden dieser Schulform. Von den 400 Hamburger Schulen nennt sich nur noch jede achte Haupt- und Realschule. „Es wird Zeit, dass daraus starke Stadtteilschulen werden“, sagt die grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch.

Das Ende der Hauptschule in Hamburg setzt bundesweit Maßstäbe. „Damit geraten diejenigen, die krampfhaft an der Hauptschule festhalten, weiter unter Druck“, freut sich der Bildungsexperte der SPD im Bundestag, Jörg Tauss. Ernst Rösner vom Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund sieht einen unumkehrbaren Prozess. „Hamburg ist Vorreiter für Flächenländer wie Baden-Württemberg“, meint Rösner.

„Die Zeit arbeitet gegen die Hauptschule“, meint Renate Rastetter, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen in Baden-Württemberg. Allerdings müsse man im Südwesten auf die Abschaffung noch warten. Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) plant die Hauptschule zu retten, indem er ihre Zahl halbiert. Diese werden immer mehr zu Kleinstschulen, weil die Anmeldungen stetig zurückgehen.

Auch in Bayern, der deutschen Hauptschulbastion, sind 400 von 1.000 Hauptschulen in Gefahr, weil die Schüler fehlen. „Obwohl die Eltern zufrieden sind mit ihrer Hauptschule, sehen sie, dass sie ihren Kindern keine Zukunft bietet“, berichtet Ulrike Stautner vom Bayerischen Elternverband. „Der Trend geht zu Regionalschulen.“ In Niedersachsen, das hartnäckig an der Hauptschule festhält, mussten die wenigen existierenden Gesamtschulen in diesem Jahr über 4.600 Schüler abweisen.

Die Hamburger Eltern haben längst mit den Füßen abgestimmt. „Es macht wenig Sinn, die Hauptschule zu erhalten“, sagt der Sprecher des Hamburger Schulleiterverbands, Klaus Wendtland. „Die Eltern wählen sie nicht mehr an.“

Mit der Schulform verschwinden jedoch nicht die Hauptschüler. Das am Mittwoch verabschiedete Schulgesetz sieht vor, dass Haupt- und Realschüler weiterhin in den Kernfächern Mathe, Deutsch und Englisch in getrennten Kursen unterrichtet werden können. „Es ist noch keine Abschaffung der Hauptschule, sondern nur der isolierten Hauptschule“, sagt eine Sprecherin der Bildungsbehörde.

Anstelle dieser entstehen dann zunächst Integrierte Haupt- und Realschulen. Ab 2010 sollen sie zu Stadtteilschulen werden, die auch den Weg zum Abitur anbieten. Leistungsstarke und -schwächere Schüler sollen perspektivisch zusammen unterrichtet werden. Gleichzeitig führt Schwarz-Grün ab 2010 die Primarschule ein, die alle Kindern sechs Jahre lang besuchen. Mit dieser umfassenden Reform will Schwarz-Grün den hohen Anteil an Risikoschülern senken.

Die Regierung baut dabei auf die Ergebnisse des Modellversuchs Integrierte Haupt- und Realschule (IHR), der in Hamburg seit den 90er-Jahren läuft. Dieser hat gezeigt, dass das gemeinsame Lernen schwachen und starken Schülern hilft. Das „Hauptschulsyndrom“, ein Begriff, der für schlechtes Lernklima und Selbstwertgefühl steht, findet man in den IHR-Schulen nicht. „Zugleich bringt es keinen Nachteil für die guten Realschüler“, berichtet Eva Nemenich, stellvertretende Leiterin an der Theodor-Haubach-Schule in Hamburg-Altona, einer der Modellschulen.

„Es gibt keine Alternative“, sagt die Mathematiklehrerin. „Wenn Sie ab Jahrgang 7 reine Hauptschulklassen bilden, entsteht eine Restschule, in der kein Unterricht mehr möglich ist.“ Als vor einigen Jahren der Modellschule die Sonderausstattung gestrichen wurde, habe das Kollegium gesagt: „Wir wollen auf keinen Fall zur Hauptschule zurück.“