berliner szenen Neue Markisen

Pro Gentrifizierung

„Mein Hund stirbt, Alter.“ Der Hund liegt im Schatten und rührt sich nicht, neben ihm steht eine Plastikschale mit Wasser. Die Schale ist eigentlich für Fritten gedacht, aber fressen darf der Hund nur zu Hause, im Gegensatz zu seinem Herrchen, der mit seinem Kollegen hier Pause macht. „Vielleicht solltest du ihm ne Pille verpassen, damit er wach wird,“ sagt der Kollege. „Wirkt nicht bei der Sonne,“ bescheidet der erste knapp. Beide haben Menü 6 bestellt und sitzen auf der Holzbank. Sie tragen Kevin-Kuranyi-Bärte. Geschätztes Alter: 25. Ihr Chef probiert die frisch angebrachte Markise aus.

Mit dem Chef sprechen sie türkisch (oder arabisch oder kurdisch), untereinander deutsch. Der ohne Hund erzählt jetzt von einem Typen, der neulich am helllichten Tage so eine Pille eingeworfen hat. „Und dann ab aufs Laufband. Zwei Stunden. Wie ein Pferd.“ „Ist gefährlich, Alter“, sagt der mit dem Hund. „Kannst’n Herzinfarkt bekommen.“

Die Markise tut es nicht richtig, die beiden müssen noch mal auf die Leiter, der Hund pennt im Schatten. Menü 6, Cheeseburger mit Pommes, bleibt halb aufgeputzt auf dem Tisch stehen. Den Hund interessiert das nicht, er pennt weiter. Der Chef entscheidet sich für Menü 2. Er trägt Cordhosen und Flanellhemd, seine beiden Angestellten Overalls und Unterhemd. Die Markise ist gefixt, jetzt wird weitergespachtelt.

Der Imbiss in der Adalbertstraße hat neu eröffnet. Die Burger sind nicht übel, die Pommes sind auch o.k. Vorher hat es hier einen Hähnchengrill gegeben, er wurde einmal ausgeraubt und hat sich nicht länger als ein halbes Jahr gehalten. In der Zeitung steht, dass der Kiez hier allmählich durchgentrifiziert wird. Dem Burgerladen ist das nur zu wünschen. RENÉ HAMANN