bücher aus den charts
: Bei Ralf Husmann ist alles ziemlich Banane

Dies ist eine Lesewarnung. Leider kommt sie zu spät. „Nicht mein Tag“, der Debütroman von Ralf Husmann, steht auf Platz 8 der Spiegel-Bestsellerliste. Wie er dorthin kommen konnte, ist ein Rätsel. Anscheinend gibt es wirklich Leute, die in eine Buchhandlung gehen und das Buch mit dem blödesten Cover kaufen: ein Mann, der eine Banane in der Hand hält. Wie eine Pistole. Hihi. Daneben zur Sicherheit noch der Hinweis: „Vom Autor der Erfolgsserie ‚Stromberg‘ “. Das reicht offenbar. Gut geschrieben muss das Buch dann nicht mehr sein. Lesekompetenz, ein Schlagwort der Bildungsdebatte, ist sicherlich wichtig – doch was nützt die ohne Kaufkompetenz? Eine vage Hoffnung bleibt: Gekauft ist nicht gelesen. Vielleicht verstauben ja in Fulda, Radevormwald und Kempten zigtausende Exemplare von „Nicht mein Tag“, weil ihre Besitzer festgestellt haben, dass das Buch auch inhaltlich ziemlich Banane ist (was sie dann doch nicht mehr so lustig finden).

„Nicht mein Tag“ ist das Buch zu einem Film, der erst noch gedreht werden muss. Ein Roadmovie auf 333 Seiten. Man kann sich die Geschichte eines Bankangestellten, der nach einem Überfall auf die Filiale, in der er arbeitet, als Geisel genommen wird und mit dem Bankräuber durchs Ruhrgebiet und dann – in veränderter Besetzung – nach Holland und weiter nach Frankreich flüchtet, gut im Abendprogramm von ProSieben vorstellen. Und genau darin liegt das Problem.

Was als Film Tempo und Witz haben könnte, hat als Buch weder noch. Husmann hat eine Menge Beobachtungen zusammengetragen – sein wenig originelles Lieblingsthema: das Verhältnis der Geschlechter zueinander und der Geschlechter untereinander. Diese verquirlt Husmann zu Sätzen wie „Sie ist unfassbar dämlich, und er will sie gern nackt sehen“ und „Ihre Schwester ist vier Jahre jünger als sie und der Hauptgrund, warum Nico noch keine Geschwister hat“. Diese Zitate sind doppelt bemerkenswert: zum einen, weil die Kommata hier mal richtig gesetzt sind und zweitens, weil sich darin schön widerspiegelt, worum es in „Nicht mein Tag“ geht: Sex, den man hat(te) und – häufiger noch – Sex, den man nicht hat(te) bzw. gerne hätte. Till Reiners ist ein verhinderter Casanova, verhindert durch seinen Seitenscheitel und seine Kurzarmhemden. „Jemand, der in niemandes Fantasie vorkommt“, schreibt Husmann, selbst seitenscheitelgeschädigt: „Er ist sich nicht mal sicher, inwieweit er noch in Miriams Fantasie vorkommt.“ Miriam ist seine Frau.

Der Leser erfährt mehr über Till Reiners Innenwelt, als ihm lieb ist. Anstatt die ganz treffend beobachteten Provinzfiguren wirken zu lassen, ihre Dialoge zum Strahlen zu bringen, schüttet Husmann den Leser mit philosophisch verbrämtem Gedankenmüll zu: „Offenbar wollen alle immer etwas anderes. War nicht selbst Gott unzufrieden gewesen und hatte deswegen die Sintflut geschickt, um noch mal neu anzufangen?“ Oder: „Man nimmt sein altes Leben mit in sein neues. Er ist jetzt nicht plötzlich der beste Ficker der Stadt. Man kann nicht beschließen, Keith Richards zu werden.“ Kurz zuvor hat Till sich tätowieren lassen, auf den Oberarm, das chinesische Zeichen für „Mut“ – oder Pekingente. Letzteres würde besser zu ihm passen.

Man kann mit Losern viel Spaß haben – wie zuletzt Heinz Strunks Jugenderinnerungen, „Fleisch ist mein Gemüse“, gezeigt haben. Doch dieser Till Reiners nervt. Sein Sexismus, sein Selbstmitleid, seine Tagträume, seine blöden Sprüche. Eigentlich alles. Dass er in diesem Leben kein Keith Richards mehr wird, ist nur gerecht (dass Heinz Strunk trotz seiner Jugend noch so erfolgreich geworden ist, auch).

Heinz Strunk ist es mit seinem Buch gelungen, das eigene Schicksal so zu überhöhen, dass daraus ein ebenso lebenskluger wie tragikomischer Romanstoff geworden ist. „Nicht mein Tag“ dagegen wirkt wie eine schlechte Tommy-Jaud-Kopie, und da gewinnt ja selbst das Original keine Literaturpreise. Gut unterhalten fühlen sich von diesem literarischen Mikrowellengericht nur Leute, die sonst wenig lesen. Und deswegen wohl nie erfahren werden, wie beglückend das sein könnte. DAVID DENK

Ralf Husmann: Nicht mein Tag. Scherz, Frankfurt a.M. 2008, 334 Seiten, 13,90 Euro