Hamburg will Hafen entfesseln

Hamburgs Hafenbehörde soll sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und das auch mit Krediten finanzieren. Ein Großteil der Kosten für den teuren Hafenausbau wäre damit aus dem Haushalt verschwunden – und eine eine alte grüne Forderung erfüllt

Der Hamburger Hafen ist eine der wichtigsten Drehscheiben im Handel zwischen dem Fernen Osten und dem Baltikum. Weil die Wirtschaft beider Regionen stark wächst, hat auch der Hafen stark zugelegt. Das gilt vor allem für den Containerverkehr, der seit Jahren mit zweistelligen Raten wächst. 2007 schlug Hamburg 9,9 Millionen Standardcontainer um und landete damit weltweit auf Rang neun. In Europa hat nur Rotterdam mehr Container verschifft. Von und nach Hamburg werden besonders viele Güter per Bahn gebracht: 2007 wurden hier 1,8 Millionen Container bewegt. An keinem Bahnknoten in Europa waren es mehr. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Der Betrieb des Hamburger Hafens soll radikal umstrukturiert werden. Die als Staat im Staate für den ganzen Hafen mitsamt Infrastruktur zuständige Behörde Hamburg Port Authority (HPA) soll nach taz-Informationen auf Kernaufgaben gestutzt werden. Der schwarz-grüne Senat will sich zu einem großen Teil aus der Finanzierung des Hafens zurückziehen – und entspräche damit einer alten Forderung der Grün-Alternativen Liste. Die HPA habe den Auftrag „organisatorische und strukturelle Verbesserungen zu bewirken“, teilte die Wirtschaftsbehörde mit. Noch sei aber nichts entschieden.

Hintergrund der Umbaupläne ist einerseits die Globalisierung: Sie hat den Umschlag im größten deutschen Hafen ungeheuer rasant wachsen lassen. Zum anderen verbietet die Europäische Union, den Hafen zu subventionieren, und verlangt eine klare Trennung zwischen Investitionen in den Umschlagsbetrieb, insbesondere die Schiffsliegeplätze, und der allgemeinen Infrastruktur der Straßen, Wasser- und Schienenwege. Letztere darf von der Stadt bezuschusst werden.

Nach den jetzt bekannt gewordenen Plänen soll die Verantwortung für die Straßen und Brücken im Hafengebiet an die Stadtentwicklungsbehörde übergehen. Die Kais und Logistikflächen würden von der HPA betrieben, die Hafenbahn von der Hamburger Hochbahn (HHA), die in der Stadt die U-Bahn und Buslinien betreibt.

Das Konzept hätte den Charme, dass es den Haushalt von Investitionen im dreistelligen Millionenbereich entlasten würde. Die HPA soll die in ihrem Besitz befindlichen Grundstücke des Hafens beleihen dürfen. Mit den Krediten und den später zu erwartenden Einnahmen soll sie aus eigener Kraft die Kais ausbauen. Ein ähnliches Modell ist für die Hafenbahn mit ihrem 350 Kilometer langen Netz angedacht: Sie soll von der Hochbahn saniert und betrieben werden. Wegen der hohen Investitionskosten von vermutlich rund 500 Millionen Euro bräuchte sie dafür allerdings einen potenten Partner.

Die SPD-Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft zeigte sich am Freitag skeptisch. „Ich befürchte, dass das der Versuch ist, die Hafenfinanzierung aus dem Haushalt heraus zu nehmen“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ingo Egloff. Es stelle sich die Frage, inwieweit die HPA die von ihr aufgenommenen Kredite refinanzieren könnte. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Karl Schwinke, pochte auf Zusagen des alten CDU-Senats: Die Erlöse aus dem Börsengang des städtischen Logistikunternehmens HHLA müssten in den Hafen investiert werden. „Es wäre ein Skandal und schädlich für den Hafen“, sagte er, „wenn diese Position jetzt geräumt wird.“

Aus der Wirtschaft sind überwiegend positive Bewertungen zu hören: Hans Stapelfeldt, Präsident des Landesverbandes Straßengüterverkehr, hält eine Trennung der Zuständigkeiten für die Umschlagsanlagen und die allgemeine Infrastruktur für einen guten Weg. Damit könnten Unklarheiten über die Zuständigkeit unterschiedlicher Behörden beseitigt werden. Bisher „wusste keiner so richtig, wer wofür zuständig ist“, sagt Stapelfeld.

Dass die Pachten im Sinne einer Refinanzierung der HPA-Investitionen steigen sollen, hält der Spediteur für angemessen: Die Grundstücke im Hafen seien sehr beliebt. „Alle werden angehalten, die Flächen intensiver und nachhaltiger zu nutzen.“ Sicher wären einige Pächter nicht glücklich über steigende Preise. Aber schon heute sei die Wertschöpfung im Hafen hoch. „Das Konzept“, sagt Stapelfeldt, „geht in die richtige Richtung.“

Auch die traditionell einflussreiche Handelskammer zeigt sich aufgeschlossen. „Es ist unser Bestreben, die Finanzierung des Hafens ein Stück unabhängiger zu machen von der allgemeinen Haushaltslage“, sagt ihr Syndikus Reinhard Wolf. Die Erhöhung der Pachten dürfe aber die Unternehmen nicht überfordern und müsse ihnen Zeit zur Anpassung lassen.

Die Kammer überlege derzeit, ob es sinnvoll sei, Hafeninvestitionen direkt durch die dort tätigen Unternehmen bezahlen zu lassen. Dann müsse den Firmen auch die Möglichkeit gegeben werden, Anlagen wie etwa neue Kaimauern selbst zu bauen – bei langfristigen Pachtverträgen zu niedrigem Zins. „Wir sehen deutliche Vorteile in der Beschleunigung und der Höhe der Investitionen“, sagt Wolf.

Die Idee, dass die Hamburger Hochbahn die Hafenbahn übernehmen könnte, nimmt die Kammer „mit Interesse zur Kenntnis“, sagt Wolf. Die Hafenbahn genieße in dem Gremium einen guten Ruf, leide aber darunter, dass ihr der Senat nicht genügend Geld für Investitionen zur Verfügung gestellt habe.

Die Hochbahn hält eine Übernahme der Hafenbahn für vorstellbar: „Wir können Schienenverkehr“, sagte Sprecherin Tina Allerheiligen. Offiziell sei der Vorschlag aber noch nicht herangetragen worden.