Die Kraft der achtköpfigen Rampensau

Ein Groove von ozeanischer Wucht und Stetigkeit, Bässe tief wie der Marianengraben. The Black Seeds aus Neuseeland gaben am Donnerstag in der Maria mit vollen Händen, und das Publikum gab begeistert zurück

Man mag von Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Verfilmung halten, was man will, ein Verdienst wird man ihm nicht absprechen können: die Weite und Schönheit Neuseelands brillant in Szene gesetzt und Bilder geschaffen zu haben, die mühelos abrufbar sind. An diese Weite erinnerten die neuseeländischen Black Seeds am Donnerstag in der Maria mit ihrem Konzert mehr als lebhaft. Und das mit einer Musik, die eigentlich nur eines will – eine gute Party.

Ein bisschen Reggae, ein bisschen Funk, eine Portion Dub, mehr braucht es nicht für den Sound der Black Seeds, gespielt von einer Truppe, die mit vollem Einsatz und höchst laid back alles mit sich reißt, was in Hörweite ist. „Pacific Vibe“ nennt sich der Stil der Südseemusiker, und man kann getrost den ganzen Assoziationsplunder bemühen, der mit dem Begriff angeschwemmt kommt: Bässe tief wie der Marianengraben, ein Groove von ozeanischer Wucht und Stetigkeit, zu dem das Publikum gleichmäßig wogt, mal ruhiger, mal aufbrausender. Stimmt alles. Je länger sie an diesem Donnerstagabend spielten, desto stärker geriet der Saal in Bewegung. Die Black Seeds sind in erster Linie eine Liveband. Eine fantastische Liveband, wohlgemerkt. Bei ihren Auftritten agieren sie mit der Kraft einer achtköpfigen Rampensau. Ihre Bühnenshow lebt ausschließlich von ihrem Spiel. Da stehen und schwitzen Musiker, die vollkommen gegenwärtig sind, nicht mehr und nicht weniger. Das soll keinesfalls heißen, dass ihre Platten im Vergleich zu ihren Konzerten weniger wichtig wären, macht aber verständlich, warum das Kollektiv in zehn Jahren erst vier Alben aufgenommen hat. Auf ihrem jüngsten, „Solid Ground“, klingen sie noch selbstverständlicher, kompakter und energischer als bisher. Auch wenn das Album – in Deutschland ab Ende August im Handel – durch und durch überzeugend ist: Das Bühnenerlebnis vollständig ersetzen kann es nicht.

Die gutgelaunten Neuseeländer zelebrieren ihr Konzert als streng diesseitige spirituelle Erfahrung. Sie bedienen ihr Publikum nicht als zahlende Kundschaft, sondern verstehen sich als Sprachrohr der Musik, die erst gemeinsam mit den Hörern zu ihrer wahren Bestimmung findet. Ihr Programm bringen sie in angelsächsisch-nüchternen Worten auf den Punkt: „When the people get together / they create a special feeling / that they’re giving to each other / through the music we are making.“

Diese Ausführungen wären gar nicht nötig gewesen, denn die Botschaft wurde vom ersten Ton an verstanden. Sie halfen aber zu verstehen, was auf der Bühne vor sich ging. Rufe der Sänger wie „Get ’em up, if you’re with us“ waren keine bloßen Animationsbefehle, sondern Teil der Liturgie. Die Gemeinschaft, die die Black Seeds in ihren Konzerten stiften, ermöglichen sie, indem sie mit vollen Händen geben. Dafür verlangen sie vom Publikum als Bekenntnis nicht viel – die Hände in der Luft tun es völlig.

Knapp zwei Stunden heizten die Black Seeds die Besucher der Maria an, bis sie sich, von Jubelgeschrei begleitet, endgültig verabschiedeten. Nicht ohne anzukündigen, dass sie in einem halben Jahr wieder da sein wollen. Bis dahin kann man sich mit ihrem neuen Album auf ein Wiedersehen freuen. In ihrer Heimat sind sie längst Superstars, ähnlich wie ihre Landsleute Fat Freddys Drop. Ein großes Publikum kann man ihnen auch hierzulande nur wünschen. Diese Musik will gefeiert werden, und wenn alle Welt mitmacht, umso besser. Den Worten des Sängers Barnaby Weir kann man uneingeschränkt beipflichten: „It’s fucking wicked.“ TIM CASPAR BOEHME

„Solid Ground“ (Sonar Kollektiv/Best Seven) von den Black Seeds erscheint Ende August