Ortstermin: Suzanne Vega im Oldenburgischen Staatstheater
: Warten auf das kleine blaue Ding

Eine Viertelstunde wartet das Publikum jetzt schon auf den Konzertbeginn. Eine Viertelstunde! Um 21 Uhr sollte es beginnen – genau genommen schon um halb neun, aber da kam erst einmal ein junger Mann mit Gitarre auf die Bühne, der sagte, er sei aus Stuttgart, aber „zu Hause“ doch irgendwie woanders. Dann sang er von Großstadtfluchten und vom sterbenden Schwein im Rinn-Stein und klang wie Xavier Naidoo – mit Wattebäuschen in den Backentaschen.

Das Publikum blieb trotzdem höflich sitzen, vielleicht auch, weil man sich im Theater nicht so schnell aus dem Saal stehlen kann und vor allem beim Wiedereintritt eine dieser Damen auftreiben muss, die einem die Türen wieder aufschließen. Und ein halbes Stündchen wird man den Stuttgarter schon aushalten, die Stühle im oldenburgischem Staatstheater sind höchst bequem und wenn’s ganz arg wird, hilft der Blick an die Decke: Neo-barocker Stuck zerstreut auf’s angenehmste.

Noch länger aber mag das Publikum nicht warten, man hat ja nicht ’n Zehner für Superpunk in der Kulturetage bezahlt, sondern 50 Euro für Suzanne Vega im Staatstheater. Und mit durchschnittlichen 45 Jahren braucht hier niemand zum Beweis der eigenen Coolness um zwei ins Bett gehen, halb zwölf am Sonntag Abend langt vollkommen. Zum zweiten Mal also fordert das Publikum mit rhythmisch-nachdrücklichem Klatschen die Künstlerin auf die Bühne, die dieses Mal gehorcht. „Hier ist Suzanne Vega aus New York“, sagt jemand mit amerikanischem Akzent, bevor die Sängerin und Gitarristin, ein Schlagzeuger und ein Bassist aus dem Dunkel treten. Es ist ihr einziges Konzert in Norddeutschland während dieser Tournee.

Vielleicht erklärt das „aus New York“, warum es trotz des verkorksten Anfangs ein überraschend schöner, entspannter Abend wird. Wer in New York aufgewachsen ist, hat es nicht nötig mit Attitüden und ironischen Ansagen seine Vorstadts-Vergangenheit zu übertünchen. Ganz selbstverständlich steht Suzanne Vega, mittlerweile 49, da und rockt los. Rockt? Moment, ist das nicht diese Folksängerin aus der zweiten Hälfte der 80er Jahre mit der sanften Stimme und den Gitarren-Balladen? Deren bekannteste Hits ein A-Capella-Stück sind und eins über Kindesmisshandlung? Ein weiblicher Leonard Cohen, nur besser gelaunt? Ja, das auch, und anscheinend kennt auch das Oldenburger Publikum die ersten beiden melodiegetragenen Alben, mit denen sie berühmt wurde, am besten. Doch danach hat sie ganz offensichtlich Stücke geschrieben mit noch mehr Rhythmus, ein wenig Jazz hier, ein paar Latino-Anklänge dort. Sie bekommt für diese Songs großen Applaus, ebenso für die ihres aktuellen Albums.

Doch die meisten, das scheint sie selbst zu wissen, wollen die Sachen von damals hören. Suzanne Vega ist sich nicht zu fein dafür. Etwas zu kalkuliert wirken allerdings die beiden Hits „Tom’s Diner“ und „Luka“ zum Abschluss. Das sich an dieser Stelle einschleichende Gefühl, hier würde routiniert ein „Greatest-Hits-Programm“ durchgezogen – New York ist ja nicht billig – verschwindet aber bei der dritten Zugabe. Suzanne Vega steht ob der großen Begeisterung erfreut, aber ratlos auf der Bühne. Mehr hatten sie gar nicht geprobt, aber eins geht dann doch noch. „Ich bin ein kleines blaues Ding“, singt sie. Um 23 Uhr ist der Theaterabend beendet. Eiken Bruhn