Räuber mit untypischen Täterprofil

Zehn Jahre Haft trotz Reue für den Schlecker-Räuber. Das Landgericht Hamburg sieht in den 53 Überfällen auf Drogeriemärkte eine einzigartige Raubserie und den Tatbestand der schweren räuberischen Erpressung erfüllt

Auch ein gewaltloser Raubüberfall und spätere Reue garantieren keine Milde: Das Hamburger Landgericht hat am Mittwoch den wohl in die deutsche Kriminalgeschichte eingehenden „Perücken-Räuber“ Andreas P. wegen „schwerer räuberischer Erpressung“ zu zehn Jahre Haft verurteilt. Der 40-jährige IT-Experte hatte nach seiner Festnahme im März durch die Sonderkommission „Perücke“ gestanden, in zwei Jahren 53 Schlecker-Märkte im gesamten Norden überfallen zu haben – Beute 90.000 Euro.

„Alle meine Überfälle bereue ich von tiefsten Herzen“, beteuerte P. noch in seinem Schlusswort. Doch es half nichts. „53 Überfälle, dass muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, ist eine Serie, die ist einzigartig in Deutschland“, sagte der Vorsitzende Richter Hartmut Loth in der Urteilsbegründung. Das Geständnis des Angeklagten und dass er mit seinem bürgerlichen Vorleben und der Intelligenz „so gar nicht dem Bild eines Kriminellen“ entspräche, „habe dem Gericht die Sache massiv erschwert“, sagte Loth.

Doch dies habe sich davon freigemacht. „Spätestens nach der zweiten Tat waren sie ein Krimineller“, sagte Loth, „Ihr professionelles Vorgehen auf flächendeckende Schlecker-Überfälle war auf Dauer ausgelegt.“

Das Gericht räumte zwar ein, dass P. durch das Zeigen einer Schreckschusspistole niemanden verletzten oder ernsthaft bedrohen wollte, aber auf einige Verkäuferinnen habe dies subjektiv anders gewirkt.

Ps Verteidiger Tim Burkert hatte zuvor die Taten als „minder schwere Fälle“ eingestuft. Dafür wäre eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren angemessen. Denn P. hatte immer um kurz nach Ladenöffnung mit Perücke getarnt den Drogeriemarkt betreten, die Verkäuferin beruhigt, sie brauche keine Angst zu haben, um dann höflich meist noch mit einem Bitte die Herausgabe der Tageseinnahmen vom Vortag verlangt. Dabei zeigte er kurz seine Gaspistole. Wenn eine Verkäuferin erwiderte, „Pech gehabt, es ist kein Geld da“, oder Kundschaft die Filiale betrat, hatte er den Überfall abgebrochen. Gewalt hatte P. niemals angewandt (taz berichtete).

Andreas P. hatte die Taten stets mit Geldnot begründet. Nach seinem Jobverlust in der New Economy und Aktienverlusten sowie zuletzt wegen beruflicher Niederlagen als Verleger und freier Journalist habe er seine „private glückliche Welt wie ein Kartenhaus zusammenbrechen sehen“. Für das Gericht keine Entschuldigung. KAI VON APPEN