Gewaltbereite Subkultur

Wenn die NPD heute im mecklenburgischen Güstrow für „Nationalen Sozialismus“ aufmarschiert, rufen Kirchen, Parteien und Initiativen zum Protest auf. Ansonsten aber agiert der rechte Mob hier einigermaßen ungehindert

Backsteingotik und Klassizismus. Das Renaissance-Schloss zieht Touristen an, die Ernst-Barlach-Ausstellung im Atelier-Haus Kunstinteressierte. Im Rat der Stadt Güstrow sitzen Abgeordnete der Grünen – bemerkenswert, denn eigentlich ist die Partei in Mecklenburg-Vorpommern nicht flächendeckend verankert. Zu diesem Wochenende hin hängten der Erste Stadtrat Andreas Brunotte (CDU) und Karen Larisch vom örtlichen „Haus der Integration“ nun Transparente ans Rathaus. „Bunt statt Braun“ stand darauf.

Denn am heutigen Samstag will in Güstrow die NPD aufmarschieren. Unter dem Motto „Sozial geht nur national! Nationaler Sozialismus statt Globalisierung“ mobilisieren die Rechten, seit Wochen auch von der NPD-Landtagsfraktion um Udo Pastörs unterstützt. Nach eigenen Angaben erwarten die Ausrichter mehr als 400 Neonazis.

„Die Demonstration müssen wir erdulden“, sagt Brunotte. Er hofft, dass viele Güstrower zum Fest „Tag gegen Rassismus und Toleranz“ kommen. „Leider konnte nicht unterbunden werden, dass die NPD vor dem Rathaus eine Kundgebung abhalten kann“, sagt Jutta Reinders, DGB-Vorsitzende für Rostock/Mittleres Mecklenburg. Sie freut sich über die geplanten Gegenaktionen, die von Initiativen, Kirchen und Parteien getragen werden. Aber die DGB-Funktionärin fragt auch, was die Politik ansonsten gegen den Rechtsextremismus unternimmt.

Denn hier in Güstrow schlugen offensichtlich rechts motivierte Täter in den vergangen Wochen gleich mehrmals zu: Auf dem jüdischen Friedhof wurden gerade erst in dieser Woche acht Grabsteine beschmiert: mit Hakenkreuzen, SS-Runen und der Formel „C 18“ – für „Combat Adolf Hitler“. In der Nacht zum 9. Juli verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf einen asiatischen Imbisswagen. „Innen ist er ganz ausgebrannt“, sagt Tim Bleis von der Landesweiten Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern (Lobbi e. V.). Bis heute habe kein einziger Vertreter der örtlichen Politik dem Geschädigten einen Besuch abgestattet. Ein weiterer Asia-Imbiss war in der Nacht zum 6. Juli angezündet worden – auf der Rückseite fand sich ein gesprühtes Hakenkreuz.

Große NPD-Strukturen gebe es nicht in Güstrow, sagt Opferberater Bleis, aber eine „sehr gewaltbereiten subkulturelle Szene“. Jugendliche, die nicht dazu gehörten, berichtet ein Betroffener, würden auch schon mal angegriffen. ANDREAS SPEIT