Baudenkmäler als Handelsobjekte

betr.: „Wohnen wird Weltkultur“, taz vom 8. 7. 08, „Berlin sollte seine moderne Architektur mehr betonen“, taz vom 9. 7. 08

Ein gallebitterer Beigeschmack bleibt bei dem Gedanken, wie die Gegenwart der heute überwiegend in Händen von Finanzinvestoren befindlichen Siedlungen aussieht. Allein die börsennotierte „Deutsche Wohnen“ besitzt derzeit, nach vorhergegangenen mehrmaligen Eigentümerwechseln, drei der ausgezeichneten Siedlungen und zusätzlich noch die ebenfalls denkmalgeschützte Berlin-Zehlendorfer „Onkel-Tom-Siedlung“, auch von Bruno Taut mit gleicher Zielsetzung erbaut. Längst ist nach vollzogener Privatisierung das bis in die 90er-Jahre erfolgreiche soziale Konzept, das eine starke Identifizierung der Mieter mit ihrem Wohnumfeld förderte, einem rein profitorientierten Denken wechselnder Immobilienhändler gewichen mit geringer Bereitschaft zu wirksamen Instandhaltungsmaßnahmen.

Aus Erfahrung in der Onkel-Tom-Siedlung, auch „Waldsiedlung“ genannt, ist zu berichten, dass gegen die Interessen der Bewohner stattfindende „Modernisierungen“ ohne Wohnwertverbesserung mehr als ein Viertel der alten Mieter bereits vertrieben haben. Ähnliche Erfahrungen: zum Beispiel rasante Mieterhöhungen durch möglichst viele Neuvermietungen, Personalabbau und Reduzierung der Service- und Instandhaltungsleistungen können wohl auch die anderen „Privatisierten“ vorweisen. In der Selbstdarstellung „Deutsche Wohnen“ im Internet kann man jedenfalls Folgendes lesen: „Leitgedanken von Management und Mitarbeitern sind Mieterlösoptimierung und die daraus resultierende Wertsteigerung im Portfolio“. „So konnten zum Beispiel in der insgesamt 800 Wohnungen umfassenden Waldsiedlung bei Neuvermietung bereits deutliche (Miet)Steigerungen von bis zu 40 % erzielt werden.“ Und zur jetzigen Unesco-Auszeichnung: „Hierin kommt die hohe Marktattraktivität dieser Bestände am besten zum Ausdruck.“

So ist hier ein bis vor kurzem real existierendes gelungenes soziales Wohnkonzept der 20er-Jahre zerstört und zur historischen Sozialutopie degradiert worden. Dafür ausgezeichnet zu werden, ist nicht unbedingt rühmenswert angesichts der zunehmenden Berliner Mieten- und Wohngeldproblematik verbunden mit sozialer Segregation. Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht in ihrer Pressemeldung zum Weltkulturerbe das allerdings ganz locker: „Heute nimmt ein zweiter Wandel Form an. Die öffentliche Hand zieht sich aus dem Wohnungsbau zurück und privatisiert Wohnungen an Mieter und Investoren. Und wieder werden Siedlungen zum Modell, das zeigt, wie sich der Erhalt dieser emblematischen Baudenkmale mit zeitgemäßen Anforderungen an Ausstattung und Komfort in Einklang bringen lässt.“

70 Jahre nach Bruno Tauts Tod werden damit auch seine Ideen endgültig zu Grabe getragen. Als Erbe bleiben – dem heutigen Zeitgeist entsprechend – Baudenkmäler als Handelsobjekte, die, ihrer eigentlichen immer noch aktuellen Bestimmung entzogen, attraktiv vermarktet werden. BARBARA VON BOROVICZÉNY, Berlin