Die Karriere des Herrn P.

Wegen versuchten Totschlags muss sich ein 24-jähriger Räuber seit gestern vor dem Landgericht verantworten. Er schoss auf der Flucht einen Taxifahrer an. Das Opfer sitzt heute im Rollstuhl

von Jan Zier

Florian P. ist einer, der gemeinhin als „gescheiterte Existenz“ gilt. Doch vielleicht sind es auch die Institutionen dieser Gesellschaft, die an ihm scheitern. Jetzt sitzt der 24-Jährige einmal mehr auf der Anklagebank, muss sich vor dem Landgericht verantworten, diesmal wegen versuchten Totschlags, unter anderem. Binnen sechs Wochen überfiel er drei TaxifahrerInnen, zuletzt im Januar diesen Jahres, erbeutete dabei alles in allem keine 500 Euro. Sein letztes Opfer sitzt heute im Rollstuhl: Ehsan N. ist querschnittsgelähmt. P. hat ihn im Handgemenge angeschossen. Vor Gericht tritt der einstige Taxifahrer als Nebenkläger auf, doch die Einlassungen des Angeklagten mag er sich gar nicht erst anhören.

Florian P. spricht mit schwacher, kaum vernehmbarer Stimme, er ist von kleiner, aber muskulöser Gestalt. Er erzählt die Geschichte eines Menschen, der in klassischer Art und Weise auf die schiefe Bahn geraten ist. P. war auf der Sonderschule, und als seine Eltern sich trennten, da war er acht. Richtige Freunde, nein, die hatte er „eigentlich nie“, dafür aber einen Kumpel, der eine Schreckschusswaffe besaß – zusammen begingen sie ihren ersten Raubüberfall. Da war Florian P. zwölf. Anschließend kam er ins Heim nach Soltau, baute dort wieder „Scheiße“, wie er sich ausdrückt, kam daraufhin in ein weiteres Heim nach Hannover, wo er nach eigenem Bekunden „fast nur Kriminelle“ um sich hatte. „Da habe ich mich verleiten lassen.“ Schließlich landete er dann in Bassum, wo er zwei Jahre auf Bewährung bekam. Er hatte Autos geklaut. Irgendwie gut sah es nur einmal aus in seinem Leben. Da war er mit seiner ehemaligen Sozialpädagogin zusammen. Die Beziehung hielt fünf Jahre.

Nach der Trennung ist dann „alles aus den Fugen geraten“, sagt Florian P. Spätestens an jenem Tag im letzten November, als die Bank ihm sein Konto sperrte. Er konnte Schulden von gut 300 Euro aus einem Handyvertrag nicht mehr bezahlen. Nun gut, das waren nicht die einzigen Verbindlichkeiten. Hier standen 4.000 Euro für eine Wohnungseinrichtung aus, dort ein paar Hundert Euro, die eine Versicherung einforderte, wegen der Autoaufbrüche. Als er dann gar kein Geld mehr in der Tasche hatte – „da habe ich rot gesehen“. Seine Ausbildung zum Fachlageristen brach er ab, seine Wohnung in Huchting gab er auf. „Ich wusste nicht weiter.“

Irgendwie schien es ihm nahe liegend, Taxifahrer zu überfallen. Eine Waffe hatte er schon: eine Walter P 38, aus Bundeswehrbeständen geklaut. Nein, woher er sie hat, das mag er nicht sagen. Mit dem erbeuteten Geld wollte er die Schulden bezahlen, besagte sein zurecht gelegter Plan – „eine blöde Idee“.

Zweimal ging für ihn alles gut, zweimal händigten ihm die TaxifahrerInnen ihr Geld aus – ohne Gegenwehr. „Man soll da nicht den Helden spielen“, sagt Jürgen N., der schon seit 1964 Taxi fährt. Ehsan N. verfolgte den Täter, als der mit 60 Euro Beute flüchtete, zog ihn vom Rad, hielt ihn von hinten umklammert. Irgendwann wurde P. „panisch“. Und schoss. Die Beine traf er nicht, also zielte er auf den Bauch. Der Schuss ging ins Rückenmark, vom dritten Lendenwirbel an ist Ehsan N. seither gelähmt. „Der Schuss war ja eigentlich erzwungen“, sagt Florian P. vor Gericht, und dass ein Mensch ja auch nicht so schnell sterbe, das habe er in Reportagen gesehen. Seine letzte Flucht endete in Bassum, Florian P. stellte sich der Polizei. Ein Urteil über ihn wird erst im August gefällt. Gut möglich, dass es nicht das letzte Mal war, dass er vor Gericht stand.