Was München von Hannover lernen kann

Der Kriminologe Christian Pfeiffer zeigt: Wo die Schulen funktionieren, gibt es weniger Jugendkriminalität

BERLIN taz ■ Bezüglich der Jugendgewalt stellt Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) der Stadt Hannover, ein gutes Zeugnis aus. Die Entwicklung von München dagegen sieht der Experte nicht gerade rosig. Der entscheidende Unterschied liegt nach Meinung Pfeiffers in der schulischen Integration begründet – außerdem plädiert er für einen starken Ausbau der Ganztagsschulen.

In Hannover sei zwischen 1998 und 2006 die Quote jugendlicher Gewalttäter von 20,1 auf 15,2 Prozent gesunken. Rückläufig sind auch die Zahlen bei den Mehrfachtätern: Hier ging die Quote um ein Drittel auf 4,1 Prozent zurück. Insbesondere hebt Pfeiffer hervor, dass diese Entwicklung bei nichtdeutschen Jugendlichen stärker verlaufe. Obwohl die Gründe hierfür vielfältig seien, verdiene ein Faktor besondere Beachtung: „Hannover gelingt es, junge Migranten besser zu integrieren“, sagt der Kriminologe. Die Quote der Hauptschüler sei in der niedersächsischen Landeshauptstadt um knapp 6 Prozent gesunken. „Und die Hauptschule ist in den letzten Jahren zu einem eigenständigen Verstärkungsfaktor der Jugendgewalt geworden“, argumentiert Pfeiffer. Bei dieser Schulform entwickelten sich negative Aufschaukeleffekte.

Dies sei auch der entscheidende Unterschied zu München, wo die Gymnasialquote türkischer Jugendlicher von 18,1 auf 12,6 Prozent gesunken ist. Des Weiteren werden in ganz Bayern bindende Schullaufbahnempfehlungen ausgesprochen. Gemäß der Erhebung ist in München die Täterrate bei jungen Migranten gestiegen, bei jungen Türken habe sich die Mehrfachtäterquote gar verdoppelt.

In Hannover lobt Pfeiffer insbesondere das bürgerschaftliche Engagement, die erhöhte Anzeigenquote sowie Verbesserungen im sozialen Umfeld der Jugendlichen. Ein weiterer Stabilisierungsfaktor, der allerdings in beiden Städten vorherrscht, ist der Rückgang des Schuleschwänzens. In Hannover sank die Quote bei Intensivschwänzern (fünf und mehr Tage im Halbjahr) von 18,8 auf 10,7 Prozent; in München ging die Quote im gleichen Zeitraum allerdings nur um 4,2 Prozent zurück.

Neben dem Plädoyer, insbesondere jugendliche Migranten besser in höheren Schulformen zu integrieren, sieht Pfeiffer einen entscheidenden Schritt darin, mehr Ganztagsschulen aufzubauen. „Wenn Nachmittage sinnvoller gestaltet werden, gelingt die Integration viel besser“, sagt er.

Im Allgemeinen habe seine Studie ergeben, dass sich der rückläufige Drogenkonsum positiv auf die Zahlen auswirke, wohingegen der gestiegene Alkoholkonsum und das veränderte Medienverhalten kritisch zu werten seien.

SEBASTIAN KEMNITZER