Markige Kerls mit Ölpumpe

Eine Ausstellung auf dem Hamburger Museumsschiff „Rickmer Rickmers“ widmet sich dem Hundertjährigen der Bohrinsel. Über Technikbegeisterung, das entsprechende Männlichkeitsideal und allerlei Geraune über die deutsche Rolle bei der Ölgewinnung kommt die Schau aber nicht hinaus

Mit Seefahrer-Romantik hat die Arbeit auf einer Bohrinsel nichts zu tun. Genau das vernebelt die Ausstellung

VON PETRA SCHELLEN

Mag sein, dass sie faszinierend sind, aber vor allem sind sie wohl klaustrophobisch: Bohrinseln. Ihnen, wie auch der zugehörigen Abenteuer-, oder vor allem Goldgräberstimmung, widmet sich die Ausstellung „Faszination Bohrinsel – 100 Jahre Offshore“ auf dem Museumsschiff „Rickmer Rickmers“ im Hamburger Hafen. Deren Kajüten und Kapitänsmesse können Besucher ohnehin ansehen, mitsamt der Bilder von diversen Ehrenkapitänen aus Hamburgs Haute Volée an den Wänden. Wummern im „Exklusiv-Restaurant“ Seemannslieder, wurde das Zwischendeck als Ausstellungsraum hergerichtet. Und glaubt man der Pressefrau des Großseglers, stehen diejenigen Schlange, die an Bord ihre Themen präsentieren wollen.

Diesmal also Bohrinseln. Der Anlass: 100 Jahre Offshore-Technik. Eingerichtet hat die Ausstellung das Deutsche Erdölmuseum Wietze am Südrand der Lüneburger Heide – ein Haus, das unter anderem von der Erdöl- und Erdgasindustrie gesponsert wird. Woraus sich wohl auch Öllobby-freundliche Ausrichtung der Ausstellung erklärt. Diese berichtet über, klar, Offshore-Technik und deutsche Firmenbeteiligungen, kann aber nicht kaschieren, dass es derzeit nur eine Bohrinsel in deutschen Gewässern gibt: die Plattform in Mittelplate. Und die liegt mitten im sensiblen Wattenmeer.

Dass dieser Umstand problematisch sein könnte, wird im Mittelteil von „Faszination Bohrinsel“ thematisiert. Zuvor gibt es maßstabsgetreue Modelle für kleine Jungs zu sehen: Die Bohrinseln Schwedeneck-See und Transocean 4 stehen da, schön bunt und im Playmobil-Format. Das ist adretter anzuschauen, als sich die dazu gehörigen Texte lesen: „Seit Tausenden von Jahren faszinierte die Menschen die Vorstellung der Existenz im Meer versunkener Kulturen“, steht da zum Beispiel. „Sie träumten von großen Reichtümern, die auf und unter dem Meeresboden zu finden seien.“ Und die ungenannten Autoren sind sich nicht zu schade, hinzuzufügen, dass das „für die Öl- und Erdgasindustrie kein Traum geblieben“ sei.

Wie lange dieser Traum noch währen wird, spielt hier keine Rolle. Lieber wird von der Konstruktion jener Bohrinseln gesprochen, an denen deutsche Firmen beteiligt waren. Oder von den Gefahren, die die Winde der Nordsee für die Plattformen bedeuten – und von den Unwägbarkeiten des Watts. Auch der Tatsache, dass bei Katastrophen niemand weglaufen kann, werden ein paar warme Worte gewidmet.

Allen Bemühungen zum Trotz bleibt die Suche nach dem Fokus der Ausstellung erfolglos. Auch wird nirgends erwähnt, dass Norwegen wichtigster europäischer Ölexporteur ist, gefolgt von Großbritannien, Dänemark und dann erst den Niederlanden und Deutschland. Vielmehr durchzieht ein gewisser Stolz angesichts deutscher Beteiligungen am Bau von Bohrinseln im In- und Ausland die gesamte Schau. Dass die Ölförderung hierzulande eine Marginalie ist, zeigt dann schon der Umstand, dass man das Modell der Schwedeneck-Plattform ausstellen musste: Die arbeitet seit dem Jahr 2000 nicht mehr und war auch bis dahin gerade mal 16 Jahre lang in Betrieb. Und Haupthindernis für die deutsche Ölförderung in der nördlichen Nordsee sind, anders als es die Ausstellungsmacher nahe legen, nicht etwa die starken Winde – sondern die Tatsache, dass diese Gebiete zu Norwegen gehören.

Aber derlei war den Machern offenbar nicht so wichtig. Dabei sein ist alles, mögen sie sich gedacht haben und versuchen, das Renommee Deutschlands hervorzuheben. Dass sich die Schau dabei gelegentlich einer martialischen Sprache bedient, ist vielleicht kein Zufall: „Ohne Verluste“ sei etwa jener Halbtaucher namens „Transocean No. 3“ zerbrochen – ein wenig so, als befinde man sich an der Front.

Als besserer Arbeitssoldat erscheint der Mensch auch auf einer anderen Tafel: „Die Freizeitgestaltung an Bord“, heißt es da, „wird durch das Schlafbedürfnis nach zwölf Arbeitsstunden zeitlich sehr begrenzt ausfallen.“ Die verbliebene Zeit werde durch Fernsehen, Lektüre und Sport ausgefüllt. Das klingt sachlich, lässt aber anklingen, dass die Genannten zum Arbeiten vor Ort sind. Von einer möglicherweise verbesserungswürdigen Arbeitssituation steht da nichts.

Wenn die Ausstellungsmacher zudem immer wieder Ölvorkommen in großen Mengen beziffern, nährt das den Verdacht, dass hier die rückhaltlose Ausbeutung in immer tieferen Regionen legitimiert werden soll. Gegenläufige Argumente etwa von Naturschützern werden nur pflichtschuldig aufgezählt: „Brutzeiten der Vögel und Lagerplätze der Seehunde waren bei der zeitlichen Durchführung von Bohrungen zu berücksichtigen“, steht da über die Arbeiten im Watt. Lästige Verzögerungen, sagt hier der Subtext.

So stellt sich manchem möglicherweise die Frage nach dem Zweck des Ganzen: Selbstbespiegelung einer derzeit mäßig beleumundeten Branche? Vielleicht. Vielleicht aber vor allem: Trost und Bauchpinselung, frei nach dem Motto: Irgendwie seid ihr schon wichtig. Immerhin spielt ihr international mit – wenn auch nur ein wenig: Das zeigt der vollständig zahlenfreie Artikel über Fördermaßnahmen der Bundesregierung für die bundesdeutschen Beteiligungen an ausländischen Offshore-Projekten.

Mit Seefahrer-Romantik hat die Arbeit auf einer Ölplattform nichts zu tun: Sie ist ein harter, gefährlicher Job. Die Hamburger Ausstellung vernebelt genau das ein bisschen und verharrt in Technikbegeisterung, gekoppelt mit dem zugehörigen Männlichkeitsideal: Markige Männer stehen da auf bunten Bildchen. Sie setzen die Ölpumpe in Gang, als wäre es ein Kinderspiel.

Die Ausstellung ist bis 26. 10. auf der „Rickmer Rickmers“ im Hamburger Hafen zu sehen