Urteil gegen Party-Apartheid

Erstmals hat ein deutsches Gericht eine Geldstrafe wegen rassistischer Einlasskontrollen bei Diskos verhängt: Oldenburger Amtsrichter erkennt einen eindeutigen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – lässt aber Berufung zu

AUS OLDENBURG BENNO SCHIRRMEISTER

Eine Geldstrafe von 500 Euro wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte – viel scheint das nicht. Aber dass das Amtsgericht Oldenburg sie gestern verhängt hat, ist ein juristischer Meilenstein: Der Kläger war ein Student aus Kamerun, beklagt war ein örtlicher Diskobetreiber. Dessen Türsteher hatte dem jungen Mann am 10. Februar 2007 den Einlass verwehrt – wegen seiner Hautfarbe. „Eindeutig“, so der Richter, „lag ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor“.

„Das ist eine Super-Sache“, sagt Kläger-Anwalt Peter Fahlbusch. „Ein solches Urteil hat es in der gesamten Bundesrepublik noch nicht gegeben.“ Dabei gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seit 2006 und die Party-Apartheid ist weitverbreitet. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft das vorkommt“, sagt Fahlbusch. Das Urteil mache „anderen Mut, sich zu wehren“. Wie groß die allgemeine Einschüchterung ist, kann man auch an Fahlbuschs Mandanten sehen: Eine Nennung seines Namens lehnt der Student der Ossietzky-Uni ab. „Schließlich“, so sein Anwalt, „lebt er da.“ Es sei bemerkenswert, „dass er die Sache überhaupt ausgestanden hat“. Anderthalb Jahre hat das Verfahren gedauert.

Dass die Vorgänge aus dem vergangenen Jahr „kein Einzelfall“ seien, bestätigt auch Kilian Asangan, Antirassismusbeauftragter der Oldenburger Uni. Und die jetzt belangte Disko sei auch nicht schlimmer als andere. Von daher wäre eine Sammelklage denkbar gewesen. Die ist aber im AGG nicht vorgesehen. „Ein Schwachpunkt des Gesetzes“, sagt Fahlbusch.

In der Tat. Das Gericht musste besondere Umstände des Vorgangs in seinem Urteil berücksichtigen: So wertete der Vorsitzende den verhandelten Vorfall als teilweise provoziert: „Sie waren in einer Art Testlauf mit Zeugen unterwegs“, hielt er dem Kläger vor. Wirklich war der junge Mann in jener Nacht mit einer Perserin und einem Uni-Dozenten losgezogen – auch um glaubwürdige Aussagen vorweisen zu können. Das war auch nötig: Der Türsteher bestritt im Zeugenstand alle Vorwürfe. Der Richter schenkte ihm allerdings keinen Glauben. Nur, dass ein Uni-Dozent eine Disko besuchen könnte hielt er gar für „völlig ausgeschlossen“. Auch wenn der erst 39 Jahre alt ist.

Es sei fraglich, ob Persönlichkeitstrechte überhaupt durch einen willentlich herbeigeführten Verstoß verletzt werden könnten, so der Richter. Keinesfalls aber sei die Verletzung dann so zu bewerten, wie bei einer Spontan-Diskriminierung. Entsprechend dimmte er die Geldbuße auf die Hälfte und teilte die Verfahrenskosten auf: Für einen Vergleich hatte das Gericht 1.000 Euro angeregt.

„Das hat uns nicht interessiert“, sagte Asanga gestern noch vor Urteilsverkündung. „Wir wollen eine Entscheidung.“ Das Verfahren des Kameruners hatten neben der Antirassismus-Stelle der Uni, die Evangelische StudentInnen Gemeinde und die Antidiskriminierungsstelle Ibis zu ihrer Sache gemacht, finanziert und begleitet. Mit Transparenten, Bongos und Kongas hatten sie im Eingangsportal des Gerichts auf das Verfahren hingewiesen. „Was ist denn hier los?“, raunzte ein irritiertes Passanten-Pärchen die Trommelnden an – mit indes nur vorgetäuschtem Aufklärungsinteresse.

Dabei hat auch das Gericht dem Verfahren „grundsätzliche Bedeutung“ beigemessen: „Wir betreten damit juristisches Neuland“, so der Richter. Deshalb hat er Berufung zugelassen. „Wie wir mit dem Urteil umgehen“, sagte Fahlbusch, „weiß ich noch nicht.“ Die Geldfrage werde aber „auf keinen Fall“ Auslöser für eine Anfechtung sein: Denn wie eine Diskriminierung finanziell angemessen entschädigt werden könne, „das weiß ohnehin kein Mensch“.