Keine Bibel – kein Asyl

Heute beraten die EU-Innenminister über das Schicksal irakischer Flüchtlinge. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will nur Christen aufnehmen. Warum eigentlich?

VON LANA STILLE

Was soll mit den Millionen Kriegsflüchtlingen aus dem Irak geschehen? Den Massen, die in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern leben? Über diese Frage reden heute die EU-Innenminister in Brüssel und diese Frage wird auch in Deutschland kontrovers debattiert. Aber während die Europäischen Minister zunächst einmal klären wollen, wohin mit den Flüchtlingen, treibt die deutschen Politiker ein Auswahlproblem um: Wer soll überhaupt aufgenommen werden?

Man sollte meinen, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hätte genug Druck für seinen Vorstoß bekommen, nur verfolgte Christen aus dem Irak in Deutschland aufzunehmen, dass diese Idee vom Tisch ist. Doch auch wenn ein exklusives Christen-Asyl auf Europaebene als indiskutabel abgelehnt wurde, hierzulande wollen einige Unionspolitiker dieses Projekt nicht so ganz beiseite schieben. Es sei richtig, vorrangig Christen in Europa aufzunehmen, sagte zum Beispiel der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Seine Begründung: Hier sei eben internationale Arbeitsteilung gefragt, um die muslimischen Flüchtlinge sollen sich dann auch die muslimischen Länder kümmern. Warum eigentlich, lässt er offen – vielleicht weil sich das sozusagen von selbst erklärt? Laschet versucht sich in Pragmatismus, bekräftigt mit seiner Aussage aber tatsächlich das Vorurteile, dass Christen „hierhin gehören“, Muslime aber nicht.

Die Flüchtlingsdebatte ist voll von Populismus, kritisieren Organisationen wie ProAsyl. Vorschub geleistet hat diesem unterschwellig islamophoben Ton Schäuble selbst. In einem Interview hatte er angekündigt, er denke, dass Deutschland im Frühherbst in der Lage sein werde, die ersten Flüchtlinge im Zuge einer europäischen Aktion aufzunehmen. Nicht ohne im gleichen Atemzug zu bekunden: „Wir werden aber selbst aussuchen, wer zu uns kommen soll“.

Kritik an Schäuble

Diese Aussage war wohl etwas zu vollmundig. Religion als entscheidende Kategorie für die Aufnahme von Flüchtlingen – bei seinen Kollegen aus der EU blitzte Schäuble damit ab. „Zu selektiv“, befand der luxemburgische Staatssekretär für Einwanderungsfragen, Nicolas Schmit. Auch der slowenische Innenminister Dragutin Mate äußerte sich eindeutig: Die Entscheidung zur Aufnahme von Flüchtlingen müsse ungeachtet der Religion oder Rasse getroffen werden, sagte er. Bemerkenswert ist es, dass Mate den Begriff der Rasse mit ins Spiel bringt: Vielleicht traut er einem Innenmiminster, der Flüchtlinge nach Religion sortiert, noch ganz andere Auswahlkriterien zu.

Aber die im wahrsten Sinne frommen Wünsche des Bundesinnenministers Schäuble können nicht der Maßstab für das Verfahren mit Flüchtlingen sein. Denn nach dem Gesetzt ist entscheident, ob ein Asylbewerber im Fall der Rückkehr in sein Herkunftsland gefährdet und damit schutzwürdig ist, und dass sind nach deutschem Recht politisch verfolgte Personen. Ob sie abends das Vater Unser beten und ein Poster vom Papst Benedikt XVI. über dem Bett hängen haben, spielt absolut keine Rolle. Hätte der damalige EU-Ratspräsident Mates anders reagiert, als Schäubles Vorschlag abzuschmettern, hätte der internationale Flüchtlingsschutz ein ernsthaftes Problem gehabt.

Schäuble musste mit der EU einen Konsens finden, denn einen Alleingang, so hatte er am Dienstag noch geäußert, werde er nicht machen. „Wir werden nicht ohne einen europäischen Beitrag zum Resettlement auskommen“, so Schäuble, und darum wird die Christen-Frage heute in Brüssel wohl keine Rolle mehr spielen. Diese Frage bleibt in Deutschland, und sie wird vor allem unter den Landespolitiker ausgetragen – unter deren Regie die Unterbringung von Flüchtlingen erfolgt.

Angst vor Terroristen

Die zeigten sich vor der EU-Innenministerkonferenz übrigens nicht nur von christlichen Gefühlen beseelt, sondern haben neben integrationsunwilligen Muslimeneine weitere Bedrohung ausgemacht: Terroristen. „Humanitäre Hilfe darf unter keinen Umständen dazu genutzt werden, kriminellen oder gar terroristischen Bestrebungen Vorschub zu leisten“, meldete etwa der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach seine Bedenken an. Steht uns eine mögliche Masseneinschleusung von irakischen Terroristen bevor? Dass sich jetzt auch noch ein bißchen Sicherheitshysterie in die Debatte mischt, kommt einigen Politikern gerade recht. Immerhin ein Argument, so wenig Flüchtlinge hineinzulassen wie möglich. Getauft oder nicht.