Jukebox

Mach doch mal die Musik leiser!

Musik kennt eine durchaus hartnäckige Flüchtigkeit. Kann man jetzt wieder im Sommerurlaub erleben, am Strand, wo die aneinandergereihten Bars ihren jeweiligen Einzugsbereich mit wummernder Musik abstecken. Ein ruhebereiter Barbetreiber hätte gar keine Chance, weil sich Musik wie jedes Geräusch nicht an Gemarkungsgrenzen hält.

Musik schafft einen sozialen Raum. Manchmal ist der soziale Raum wichtiger als Musik. Auf den Beatles-Konzerten war das zu hören, als sie noch größer als Jesus und sogar die Beatles selbst waren. Von ihrem Publikum wurden sie deswegen einfach begeistert niedergekreischt. Die Beatles und ihre mickrige Anlage mussten dagegen verlieren.

Es wurde aber daran gearbeitet, immer mehr Boxen türmte man aufeinander, ein Wettstreit um die lauteste Band der Welt entbrannte, als ob nie wieder ein Publikum mehr recht haben sollte als die Musiker auf der Bühne. Vorsprung durch Technik. Dass aber überhaupt mal so ein Satz wie „Mach doch mal die Musik leiser!“ in die Kinderzimmer geschrien werden konnte, verdankt sich technischen Entwicklungen, die eigentlich auf klassischem Terrain wurzeln. Weil ihn die kurze Spieldauer der Schellack-Platten beim Hören einer Symphonie zum ständigen Plattenwechsel zwangen, entwickelte Peter Goldmark einfach ein neues System, die Vinylplatte, mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute. Was mit einem Rattenschwanz an weiteren Innovationen (das Equipment, die Aufnahmetechnik) den Hi-Fi-Markt erst in Bewegung setzte, vor 60 Jahren. Die Konkurrenz konterte mit der 45er-Single. Die schubste den Rock ’n’ Roll erst an und der sie, der Markt boomte, die Eltern schrien ihren Satz ins Kinderzimmer. Immer weiter ging es: Mitte der 60er war Mono old school und Stereo der neue Standard (if in doubt consult your dealer). Später sollte es ein Surround-Sound mit der Kunstkopftechnik sein, die aber dann keiner mehr wollte, weil man das nur mit dem Kopfhörer erleben konnte. Das machte den sozialen Raum von Musik arg eng, und so wichtig war einem die Musik doch nicht, dass man beim Hören zwischendurch nicht auch mal schnell in die Küche konnte.

Die Technik aber blieb, wieder in den E-musikalischen Bereich gedrängt. Bei den gerade gestarteten Inventionen 2008 kann man das alles erhören, bis zum 3. August (www.inventionen.de), was da bei der räumlichen Wiedergabe von Musik von Mono bis hin zu Sachen wie Akusmatik und der Wellenfeldsynthese möglich ist. THOMAS MAUCH