Goldkettchen am Wettschalter

Direkt am Elbdeich trägt sich auch die 134. Auflage des Stover Rennens zu. Wieder sind Tausende gekommen, auch das Wetter spielt mit. Ach ja: Wer beim Trabrennen galoppiert, fliegt raus

AUS STOVE ROGER REPPLINGER

Man geht natürlich nicht mit den Schuhen auf den Teppich. Die zieht man aus, und stellt sie an den Rand. „Willst du noch ein Brötchen, Schatz?“ Bunte Schirme, schwarze Klappstühle, weiße, gelbe Klappstühle, große und ganz große Kühlboxen. Butterkuchen, mehr Apfelkuchen, noch mehr Marmorkuchen. Und Würste. Und Zelte, über denen sich Fliegenschwärme sammeln. „An das Pferd“, sagt jemand, „glaub’ ich nicht.“

Es gab auch ein paar Jahre, in denen es nicht so warm war wie dieses Mal, bei diesem Rennen, der 134. Auflage des Stover Rennens. So warm ist es geworden, dass Cornelia Werner die Blumen für die Siegerehrung regelmäßig hat gießen müssen. Weit über 10.000 Zuschauer hat man gezählt, ein paar Wolken am blauen Himmel, ein paar Stürze, die ohne größeren Schaden für Reiter und Pferd enden, und lange Schlangen an den Wettschaltern.

Stove hat 500 Einwohner, wurde irgendwann in den siebziger Jahren zu Drage eingemeindet, woran die Stover nicht gerne erinnert werden, und liegt etwa 30 Kilometer vor den Toren Hamburgs, Richtung Südost, im Kreis Harburg. Von der Rennbahn des Stover Rennvereins zur Elbe sind es 50 Meter. Wenn der Fluss Hochwasser führt, weiß man, dass der Deich nicht nur dazu da ist, dass Zuschauer ihre Sonnenschirme reinstecken.

Etwas stickig riecht es bei den Kamelen. Joern Reimers, Vorstandsmitglied des Rennvereins von 1874 e. V., wird die Kamele, wenn sie am frühen Abend zum Rennen schreiten, am Sekt-Zelt vorbeiführen lassen: „Weil die Leute dann denken, sie haben einen zu viel“, sagt Reimers, dessen Hof in Stove bis ins 15. Jahrhundert nachweisbar ist. Und lacht, dass ihm das Wasser in die Augen steigt. Siegfried Busse, 13 Jahre lang Geschäftsführer und um die achtzig, sitzt im Schatten und findet, dass seine Nachfolger es „gut machen“.

Panama-Hüte, Kappen, Mützen, Deckel, Schirme, Selbstgebasteltes. „Haste schon gewettet?“ Die Totoschalter sind in Holzbuden untergebracht. „Was hast du gemacht? Platz oder Sieg?“ Die Dame schreibt fleißig in ihr Heft: „Das muss ich mir erst noch ’n büschen überlegen.“ Am Bierstand hat einer das Hemd ausgezogen, zeigt sein Goldkettchen und sein Sixpack. Letzteres bekämpft er mit reichlich Bier.

Wenn Josefin Mule, 15 Jahre alt, bei ihrer Premiere in einem Galopprennen auf „Nachtschleicher“ ihren Konkurrenten Hagen Wachtmann auf „Prinz Shaven“ auf den letzten Metern rasiert, dann kreischen die Mädchen und die Hunde bellen vor Freude. „Ich hab schon gedacht, ich schaff’ es nicht mehr“, sagt die Siegerin. „Dann hab ich alles gegeben und er hat es mit mir gemacht.“ Der Mann mit dem Megaphon sagt: „Nun lasst mal die Lütten raus“, und dann kommen die Shetlandponys. Lars Schäfer ist etwa zehn und hat eine coole Brille auf, aber sein Pferd „Jolly“ hat keine große Lust.

Unterhosen, die aus Shorts spicken. Pärchen, die sich gegenseitig mit Sonnenöl einschmieren. Leere Proseccoflaschen. „Fehler von Toy Boy, Fehler von Neboss.“ Preis der Samtgemeinde Elbmarsch, 1.000 Euro für den Sieger. Wer beim Trabrennen galoppiert, wird disqualifiziert. Marisa Bock, in Hamburg geboren, die erfolgreichste Trabrennfahrerin Deutschlands, gewinnt locker und grüßt mit der Peitsche ins Publikum, ganz entspannt im Sulky sitzend, hinter „Black Baron“. Der könne „jeden Boden“, sagt Marisa Bock, „jede Bahn, jede Richtung, jede Temperatur.“

Die Vorbereitung eines Besuchs in Stove ist nicht ohne: Frühstück, Mittagessen, Kaffee, Malbuch für die Kinder, Knabbersachen, ein paar Fläschchen Bier – das muss alles gut organisiert werden. Mit dem Knuddelschaf im Arm wird alles gut. Nur wenn die Pferde vorbeibrausen, ganz dicht, kann es passieren, dass sich ein bisschen Gras über die Majonäse auf den Pommes legt. Oder Stover Mutterboden.