Maulkorb oder Missverständnis

Störmanöver werfen die niedersächsischen Grünen dem Innenministerium vor: Dieses wolle ihre Besuche bei den Ausländerbehörden erschweren. Im Haus von Minister Schünemann ist man sich dagegen keiner Schuld bewusst

Glaubt man den niedersächsischen Grünen, so versucht das Innenministerium eine Informationsreise ihrer Landtagsabgeordneten durch die Ausländerbehörden diskret zu torpedieren. Glaubt man dem Ministerium, so ist dies ein „bedauerliches Missverständnis“. So formuliert es Michael Knaps, der Sprecher der Behörde: „Die Grünen können gerne eine Bleiberechtstour machen. Es fehlte noch, dass wir etwas dazu sagen.“

Sicher ist eigentlich nur eines: Geplant ist eine einjährige „Bleiberechtstour“, die grüne Landtagsabgeordnete ab September in die Ausländerbehörden ihrer Wahlkreise führt. Die Parlamentarier wollen sich vor Ort über die Umsetzung der 2006 beschlossenen Bleiberechtsregelung informieren. Da sei die Praxis der Behörden nämlich „sehr unterschiedlich“, sagt Filiz Polat, die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Um ins Gespräch zu kommen, habe man vorab einen Fragekatalog an die Bürgermeister und Landräte geschickt. Zumal eine solche Tour unüblich sei: „Normalerweise guckt ihnen niemand in die Karten“, sagt Polat. Eine Antwort auf die Fragen habe man dabei gar nicht erwartet.

Das aber sah das Ministerium anders. Und da, so Sprecher Knaps, die Grünen zeitgleich eine große Anfrage im Parlament gestellt hätten, habe man doppelte Arbeit vermeiden wollen. Allein deshalb habe man die Ausländerbehörden gebeten, die Antworten in Kopie an das Ministerium zu schicken. Das sei „keinesfalls“ als Maulkorb gedacht gewesen, sagt der Sprecher. In einem Schreiben, das das Haus von Minister Schünemann (CDU) an Polat – und den Behörden zur Kenntnisnahme – schickte, heißt es, es biete sich an, „dass die Landesregierung zunächst Ihre Große Anfrage beantwortet“. Den Grünen bleibe es „selbstverständlich unbenommen“, danach weitere Fragen „an die Landesregierung oder die Fachebene des Innenministeriums zu richten“.

Für Polat eine eindeutige Einflussnahme: Das Ministerium könne die Ausländerbehörden natürlich nicht anweisen, ihr keine Antwort zu erteilen, sagt sie – „implizit“ scheine diese Stoßrichtung aber heraus. Polat sieht daher auch keinen Zufall darin, dass die als restriktiv geltende Ausländerbehörde Hildesheim am Freitag eine Absage für das geplante Treffen schickte.

Eine Woche, nachdem das Schreiben das Haus verlassen hat, mag Ministeriumssprecher Knaps darin keinen inhaltlichen Zusammenhang erkennen. Für ihn ist die ganze Sache ein bedauerliches Missverständnis – im „eigentlich sehr schönen Verhältnis“ zur grünen Landtagsfraktion. FRIEDERIKE GRÄFF