„Die ‚Sportschau‘ ist nicht unumstößlich“

Das Kartellamt hat Leo Kirchs Pläne für die Bundesligavermarktung gestoppt – was viele Fans freut, sieht Martin Bader, Sportdirektor des 1. FC Nürnberg, als Schlag gegen die Chancengleichheit im deutschen Fußball

MARTIN BADER, 40, ist Diplom-Sportökonom, arbeitete beim TV-Rechtehändler UFA und wurde 2004 Sportdirektor beim im Mai in die 2. Liga abgestiegenen Fußball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg.

taz: Herr Bader, haben sie sich von dem Kirch-Schock schon erholt?

Martin Bader: Ja, das schon. Was uns jetzt aber fehlt ist eine gewisse Planungssicherheit.

Das Kartellamt besteht auf einer Zusammenfassung der Samstags-Spiele im Free-TV vor 20 Uhr. Nun wird die Liga weniger Geld einnehmen. Was bedeuten die fehlenden Millionen für Nürnberg?

Die Verträge mit unseren Spielern sind ja nicht auf ein Jahr festgelegt, sondern laufen meist über zwei bis drei Jahre. Wir haben angenommen, dass die Fernseheinnahmen steigen oder zumindest gleich bleiben und natürlich auch entsprechend geplant. Weil wir jetzt nicht wissen, wie hoch dieses Einnahmen ab der Saison 2009/10 sind, ist eine Unsicherheit entstanden.

Wie geht‘s denn nun weiter?

Wichtig ist, dass wir Vereine möglichst bald wissen, welches Geld wir ab dem 1. 7. 2009 durch das Fernsehen bekommen. Wenn wir das erst Anfang 2009 erfahren, wäre es katastrophal.

Sind die Verdienste aus der TV-Vermarktung angesichts der vielen Einnahmequellen denn wirklich so relevant?

Auf jeden Fall. Die Einnahmen durch Fernsehen, Sponsoring und Zuschauer sind die drei größten Säulen in den Bundesliga-Etats. Die TV-Säule ist wohl bei allen Vereinen am höchsten.

Welche Vereine trifft das Kartellamts-Urteil denn härter? Die kleinen oder die großen?

Je weniger Einnahmen ein Club durch die Zuschauer hat, desto wichtiger sind die Fernsehgelder. Daher sind etwa Nürnberg, Duisburg oder Rostock auch mehr auf diese angewiesen. Zwar bekommen die kleinen Vereine weniger Geld, trotzdem macht es prozentual am Gesamtetat mehr aus als bei den Großen. Kommt das Vermarktungmodell Kirchs nicht, wird die Schere zwischen wenigen reichen und vielen ärmeren Vereinen weiter auseinandergehen. Das hätte für uns zur Folge, das in Nürnberg ausgebildete Spieler kaum mehr zu halten sind.

Ist die Solidargemeinschaft der Profivereine gefährdet?

Die zentrale Vermarktung der 36 Clubs hat sich auf Jahre bewährt. Ich denke auch, das diese weiterhin erhalten bleibt. Doch wenn die Bundesligavereine wettbewerbsfähig sein sollen, brauchen sie höhere Einnahmen. Dass die englische Premier League da der Bundesliga weit voraus ist, ist nichts Neues. Doch inzwischen hat uns selbst Frankreich schon überholt. Trotzdem hoffe ich, dass in Deutschland weiterhin alle Vereine an einem Strang ziehen.

Der FC Bayern hat schon mit dem Austritt aus der Solidargemeinschaft gedroht …

… was ja an sich auch nicht verwerflich ist. Am Ende schaut natürlich jeder auf sich, und wenn die Münchner alleine mehr einnehmen können, wieso sollten sie die Möglichkeit dann nicht auch prüfen? Doch im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Bundesliga sollten Alleingänge trotzdem verhindert werden. Sonst hätten wir bald einige Teams an der Spitze, in deren Sphären keine andere Mannschaft mehr eindringt. Auch Aufsteiger hätten es schwerer, sich in der Ersten Liga zu behaupten. Mit dem jetzt abgelehnten DFL-Paket wäre eine gewisse Chancengleichheit gegeben gewesen.

Glauben Sie, dass die Mini-„Sportschau“ – eine 30-minütige Zusammenfassung im Free-TV – die Lösung sein könnte?

Die zu respektierende Forderung des Kartellamtes, die „Sportschau“ vor 20 Uhr zu zeigen, könnte so natürlich erfüllt werden. Aber es geht nun mal nicht, dass wir mehr Geld von Sirius [Medienunternehmen von Leo Kirch, Anm. d. Red.] verlangen, seine Rechte jedoch beschneiden oder nicht ausbauen können. Kein anständiger Unternehmer würde sich auf ein solches Geschäft einlassen. Nur weil es die „Sportschau“ schon lange gibt, ist sie nicht unumstößlich. Da muss auch mehr Flexibilität von den Zuschauern erwartet werden.

INTERVIEW: SIMON WALTER