Heuschrecken entwickeln Laborleidenschaft

Für Forscher, die Firmen gründen wollen, gibt es an der Berliner Humboldt-Universität künftig 50 Millionen Euro

BERLIN taz ■ Im Hauptgebäude der Berliner Humboldt-Universität hängt ein Zitat von Karl Marx, Autor des „Kapitals“ und Analytiker des Kapitalismus. Ein paar Straßen weiter ist das Büro von Dirk Radzinski, dem Geschäftsführer der Humboldt-Innovation GmbH und Praktiker des Kapitalismus. Die Humboldt-Innovation ist eine Tochtergesellschaft der Universität, gegründet, um Kontakte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft herzustellen. Seit Juli sind die Humboldianer an der Börse aktiv.

Radzinski und Kollegen fädelten ein Abkommen mit Londoner Investmentbankern ein, der First London Securities PLC. Die Aktiengesellschaft legt einen Fonds in Höhe von 50 Millionen Euro auf und investiert in Unternehmensausgründungen aus der HU. „Ein Fonds dieser Größe zur kommerziellen Nutzung von Forschungsergebnissen ist einzigartig in Deutschland“, freut sich Radzinski. Das wichtigste Thema für jede neue Firma sei die Finanzierung. Darüber müssen sich Jungunternehmer, die die Hallen der Universität verlassen, nun nicht mehr den Kopf zerbrechen.

Das Modell funktioniert so: Der Investmentfonds verleiht Startkapital an Forscher, die als Jungunternehmer versuchen, ihre Erfindungen zu Geld zu machen. „Diese werden vor allem aus den Naturwissenschaften und der Informatik kommen, aber natürlich sind auch geisteswissenschaftliche Erfindungen gern gesehen“, sagt Radzinski. Sofern sich die Erfindungen auf dem Markt rentieren, kriegen die Fondsaktionäre ihr Geld mit Zinsen zurück. Die HU kassiert Beraterhonorare und hofft darauf, viele geschäftstüchtige Nachwuchsforscher anzulocken. Der Universität gehören keine Anteile. „Die Risiken liegen beim Fonds“, betont Radzinski.

Und diese seien nicht klein. Als sich die Humboldt-Innovation in Deutschland auf die Suche nach Geldgebern begab, winkten deutsche Finanziers alle ab: der Humboldt Universität fehle noch das nötige Potenzial, das größere Investitionen in Ausgründungen rechtfertige.

Geschäftsführer Radzinski vertraut aber auf die Erfahrung der Londoner. Die Investmentbanker haben vor fünf Jahren ein ähnliches Abkommen mit der größten Technischen Universität in England, dem Imperial College London, getroffen und investieren dort 300 Millionen Pfund.

Nun wollen die Fondsmanager auch den deutschen Markt erschließen. „First London hat in der Humboldt-Innovation GmbH einen zuverlässigen und kompetenten Partner mit Zugang zum geistigen Eigentum einer der größten deutschen Forschungsuniversitäten gefunden“, freut sich Guy Saxton, Vorstandsmitglied bei First London.

Bisher ist das Verhältnis deutscher Universitäten zum Kapitalmarkt eher distanziert. Die Technische Universität München etwa arbeitet nach Auskunft von Sprecher Ulrich Marsch mit der Unternehmertum GmbH zusammen. Diese bietet allerdings nur Beratung für Studierende und Wissenschaftler, die sich selbstständig machen wollen, und kein Geld. Begründung: „Die Leute, die ein Unternehmen gründen wollen, haben Vertragsfreiheit, sagt TU-Sprecher Marsch. „Das heißt, wir können ihnen nicht vorschreiben, von wem sie sich finanzieren lassen.“

ANNA LEHMANN