berliner szenen Eigeninitiative

Privatisierter Hinterhof

Einmal hat Tina einen Herrn sechs Monate den Flur malern sehen. Die Farbe wechselte von Abgeranztgrün nach Ocker. Immerhin. Die Schadstellen im Mauerwerk, aus ihnen rieselte der Putz, besserte der Handwerker notdürftig aus. Das, grob, ist der Beitrag des Vermieters zur Instandhaltung seines Mietshauses in neun Jahren.

Mieter F., er lebt seit über dreißig Jahren im Haus, hält seit einer Weile gegen. Auf eigene Rechnung. Weil er es nicht haben kann, wenn etwas verkommt. Wenn es wieder richtig rieselt im Treppenhaus, verputzt er den Riss, er wechselt Glühbirnen aus, entsorgt Müll, streicht seinen Balkon, seine Fenster und Türen außen. Wenn F. nicht Mausgrau als Farbton gewählt hätte, würde seine Wohnung leuchten an der ansonsten tristen Häuserfront dank der normalen Pflege.

Vor ein paar Sommern gefiel F. der Hinterhof an sich nicht mehr. Tagelang ackerte er in der Gluthitze, verputzte die Mauern zu den Nachbarhöfen neu, fand Altrosa eine super Farbe und strich Altrosa, pflügte Staub, rangierte Kompost, pflanzte, goss. Rosa Alpenrosen, Flieder, scheußlichen Buchsbaum, Koniferen, Phlox, Zaubernuss, einen kleinen Birnenbaum, der es als Einziger im Hof nicht aushielt. F. pflanzte, was ihm Kollegen zureichten, und kaufte im Gartencenter großzügig ein. Es war ein ekstatisches Treiben unten im Hof unter Tinas Balkon.

Als F. sein Werk vollendet hatte, schaute er kurz ein wenig stolz darauf und schloss dann das Tor zu seiner Hälfte des neuen Gartens ab und hält es seither stets verschlossen. Gleich zu Beginn der Orgie hatte er einen mannshohen Zaun eingepflockt. Eine völlig überhitzte Idee war das, denn überall im Garten gedeiht und grünt es prächtig. GUNDA SCHWANTJE