Fly me, Amadeus

Bisher ist es der Lufthansa noch möglich, die Auswirkungen des Streiks bei Technik, Wartung und Catering abzufedern. Nur langsam verschärft sich die Lage – dank des Buchungssystems

VON NATALIE TENBERG

Das Kerngeschäft einer Fluggesellschaft ist es, Passagiere und Cargo in seine Airbusse, Boeings und sonstiges Fluggerät zu laden und dann an den Ort zu bringen, der als Ziel auf der Bordkarte steht. Für die Lufthansa scheint das, trotz des gerade andauernden Streiks der Bereiche Technik und Wartung und des Caterings noch kein größeres Problem zu sein. Anscheinend wurde der von Ver.di initiierte Streik heftiger angekündigt, als er in seiner Durchführung Chaos anrichtet.

Verglichen mit der Dimension des Pilotenstreiks bei der Lufthansa von letzter Woche ist dieser Streik ein laues Lüftchen am Luftfahrtshimmel.

Von den Streichungen im Flugplan ist bisher hauptsächlich eine kleine Kaste der Reisenden betroffen: nämlich keine Menschen, die mit dem Pauschalbomber in die Sommerferien fahren, sondern Geschäftsreisende, die sich eben am Counter oder von der Assistentin auf eine andere Maschine setzen lassen. Wahre und verzweifelte Streikopfer sehen anders aus. Doch gerade diesen Viel- und Teuerfliegern kommt eine große wirtschaftliche Bedeutung zu. „Der Geschäftsreisende ist das Zünglein auf der Waage“, sagt der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg und warnt vor Gewinneinbußen für das Unternehmen.

Ver.di fordert für rund 50.000 Beschäftigte 9,8 Prozent mehr Lohn, Lufthansa hatte zuletzt gestaffelt 6,7 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 21 Monaten angeboten. Sollte das Unternehmen seine Gewinnprognosen nicht gefährden, könnte es bald gezwungen sein, das Angebot anzupassen.

Für die Streikenden, die mit gutem Recht in Hoffnung auf höhere Löhne streiken, muss die Situation höchst unbefriedigend sein. Die verwöhnte Status-Karten-Klientel ist unberührt, das Unternehmen verfügt wahrscheinlich über Notfallpläne. Auch wenn schon am Flughafen Frankfurt, dem Drehkreuz des Carriers, Feldbetten aufgestellt werden, scheint das bis jetzt eher ein Mittel psychologischer Kriegsführung als wirklicher Behelf zu sein.

Bis zum Dienstagmorgen waren lediglich neun Maschinen nicht einsatzbereit, wodurch 70 innerdeutsche und europäische Flüge betroffen sind – von rund 1.900 geplanten Flügen insgesamt. Dazu kam es am Nachmittag noch zu einem Einschnitt bei einem Flug von München nach New York. Ein Airbus konnte nicht gewartet werden, die kleinere Maschine, die eingesetzt wurde, konnte nicht alle Passagiere mitnehmen, sie wurden zum Teil umgebucht.

Viel schwerer als die eigentlichen Einschränkungen wiegt für Reisende die Planungsunsicherheit. Die nämlich wird durch das ausgeklügelte Buchungssystem Amadeus reduziert. Dieses System einer externen Firma mit Sitz in Madrid ist das Rückgrat der Lufthansa-Geschäfte. Solange Amadeus läuft, muss man sich um die Passagiere keine besonderen Sorgen machen. Zwar bekommt nicht jeder den Flug, den er haben wollte, von A nach B aber kommt er aber ganz bestimmt, auch weil die Streichungen nur hoch frequentierte Strecken mit einer Taktung bis zu einem Flug pro Stunde betreffen. Verglichen mit einem Ausstand bei der Post ist das noch relativ harmlos.

Und die Beschäftigten? Sie streiken für höhere Löhne – und das zu Recht. Schließlich hat eine Beschäftigung bei der Lufthansa in den letzten Jahren an Glamour eingebüßt. Lufthanseat zu sein, das war früher dank günstiger Mitarbeitertickets das Versprechen, die Welt sehen zu können – auch wenn’s nur auf der Warteliste war. Der Angestellte, schließlich Teil der LH-Familie, wurde nicht selten mit einem Upgrade belohnt, doch das ist längst vorbei. Nicht nur wurde erlassen, dass nun eher vollzahlende Passagiere in die Business und First befördert werden, auch die Flüge sind dank Amadeus so optimal ausgebucht, dass ein trauriges Zurückbleiben am Flughafen ferner Ziele jederzeit möglich ist. Hinzu kommt noch, dass ein Ticket von beispielsweise Berlin nach London mit dem Billigflieger immer noch günstiger ist. Nein, bei der Lufthansa zu sein, das hat an Glanz verloren. Umso wichtiger also, dass das, was an Privilegien verloren ging, mit Geld ausgeglichen wird.

Ein Trost für die Streikenden: Es kann nur schlechter werden. Irgendwann nämlich stößt auch Amadeus an seine Grenzen. Und wenn es keine Boeings, Airbusse und sonstiges Fluggerät mehr gibt, in das man die Passagiere laden und dahin bringen kann, was auf der Bordkarte steht, dann entfaltet der Streik seine volle wirtschaftliche Wirkung. Betroffen sind davon trotzdem nur wenige – zum Glück.