Der Platz Mohammeds

Gab es Mohammed als historische Figur wirklich? Die Islamwissenschaftler Hans Jansen und Tilman Nagel legen ungleiche Ergebnisse vor

Der Utrechter Arabist Hans Jansen schlägt einen süffisant polemischen Ton an: „Wieder gibt es ziemlich viele Wunder zu berichten. Die Tendenz aller wundersamen Ereignisse ist, dass Mohammed bereits in der vorislamischen Zeit als außergewöhnlicher Mann anerkannt war, mit dem Gott zweifellos Großes vorhatte. Nun, wenn die Heiden in der Zeit der Unwissenheit, die dem Islam vorausging, das bereits sehen konnten, dann sollten doch erst recht wir in der Lage sein, zu erkennen, welch einen besonderen Platz Mohammed in der Geschichte von Gott und Menschheit einnimmt.“

Dieser Ton mag im Niederländischen anders klingen, und es mag auch sein, dass man in der niederländischen Wissenschaftstradition so verfährt. Im Deutschen jedenfalls ist er völlig fehl am Platz und erinnert fatal an eine Art der Polemik innerhalb der Islamwissenschaft gegenüber dem Islam, die eigentlich der Vergangenheit angehört.

Ähnliche Assoziationen wecken auch die permanenten Anspielungen darauf, dass der westliche Leser dieses und jenes schon einmal gehört haben müsse. Es ist eine Tatsache, dass es im Koran zahlreiche sogenannte Israiliyat gibt. Damit werden die Textstellen bezeichnet, die eine Ähnlichkeit mit der Bibel aufweisen: Die jüdischen Propheten einschließlich Jesus spielen im Koran eine wichtige Rolle, und Maria kommt häufiger vor als im Neuen Testament. Dies war von jeher Anlass für die von Christen und Juden vertretene These, dass der Koran jüdisches und christliches Material übernommen habe und es sich beim Koran also lediglich um eine Abschrift handle.

Aus muslimischer Perspektive stellt sich das anders dar: Der Islam versteht sich als die Wiederherstellung des Urmonotheismus von Abraham, dem Stammvater der Juden, Christen und auch der Muslime. Das ist für Muslime der Grund, warum sich der Koran auf Teile der Bibel bezieht.

Etwas Erklärendes in dieser Art hätte dem Buch von Hans Jansen gut zu Gesicht gestanden – nicht die Polemik, mit der er spielt. Interessant allerdings wird es, wenn Jansen darlegt, dass wir vieles über die Anfänge des Islam schlicht nicht wissen. Denn dies widerspricht der allgemein vertretenen These, dass der Islam „im hellen Licht der dokumentierten Geschichte entstand“ – wie der Arabist Tilman Nagel schreibt, dessen Mohammed-Biografie mit dem Titel „Mohammed. Leben und Legende“ gleichfalls vor Kurzem erschienen ist.

Allerdings stützt sich Jansen im Gegensatz zu Tilman Nagel fast nur auf die Prophetenvita des Ibn Ishaq, der von 704 bis 767 lebte. Jansen gibt sich große Mühe, nachzuweisen, dass Ibn Ishaq als historische Quelle unbrauchbar ist, etwa indem er aufzeigt, dass bestimmte Aussagen von einem Wissen zeugen, das erst ein Jahrhundert später im Umlauf war. Und doch wird Ibn Ishaq als Quelle heute nicht ad acta gelegt, wie die intensive Beschäftigung Tilman Nagels mit dieser Biografie belegt.

Doch ihm dient sie eben nicht als einzige Quelle, und indem er zahlreiche weitere hinzuzieht, gelingt es ihm, ein Bild des historischen Mohammed zu erstellen und das tatsächliche Leben des Propheten von der Legende zu trennen. Nagel arbeitet die belastbaren Tatsachen heraus und kommt zu dem Schluss, den Jansen hartnäckig leugnet. Denn für Nagel steht zweifelsfrei fest, dass es Mohammed gegeben hat. Dies belegt er auch mit dem Koran.

Laut Nagel entwickelt sich der Koran so authentisch aus seiner Zeit und den in dieser Zeit üblichen Formen und Inhalten heraus, dass es sich bei ihm auf keinen Fall um einen über Jahrhunderte hinweg gewachsenen Textkorpus handeln kann. Und aus der Authentizität des Korans schließt Nagel auf die Historizität des Propheten Mohammed, der ihm im Übrigen auch nicht sympathischer ist als seinem Kollegen Jansen. Doch Nagel verzichtet auf all den Spott, mit dem Jansen seine Ergebnisse garniert.

Doch ungeachtet aller Kritik an Jansen: Er legt den Finger in manche Wunde und wirft manche Frage auf. Dabei stellt er allerdings so ziemlich alles infrage, was Muslime zu wissen meinen. Dazu passt auch, dass Jansen den Thesen des Arabisten Christoph Luxenberg, die dieser unter seinem Pseudonym in dem Buch „Die syro-aramäische Lesart des Koran“ veröffentlichte, weit mehr zugetan ist als der Großteil der deutschen Islamwissenschaft. Luxenberg hat die These aufgestellt beziehungsweise wiederholt, dass große Teile des Korans gar nicht Arabisch seien, sondern arabisiertes Syroaramäisch. Das würde dem Anspruch des Korans entgegenstehen, das arabischste aller arabischen Bücher zu sein. Und es würden sich eine Reihe neuer Deutungsmöglichkeiten ergeben: Dass den Märtyrer statt Jungfrauen im Paradies Trauben erwarten, ist nur die populärwissenschaftlich bekannteste von ihnen.

Wem es also mal wieder nach ein wenig Polemik gelüstet, dem sei Jansen empfohlen. Wer es wissenschaftlich-fundiert mag und dafür auch das Risiko einer etwas trockeneren Lektüre einzugehen bereit ist, der greife zu Tilman Nagel. KATAJUN AMIRPUR

Hans Jansen: „Mohammed. Eine Biographie“. C. H. Beck Verlag, München 2008, 491 Seiten, 24,90 Euro Tilman Nagel: „Mohammed. Leben und Legende“. Oldenbourg Verlag, München 2008, 1052 Seiten, 178 Euro