crime scene
: Coolness satt: Istanbuls starke Kerle

Remzi Ünal ist ein cooler Typ. Vielleicht wird man das ja, wenn man so viel Chandler und Hammett liest wie er. Vielleicht ist er gerade dieser Lektüre wegen Privatdetektiv geworden, aber das erfahren wir nicht in „Dunkle Geschäfte am Bosporus“, dem immerhin schon fünften Roman für den ehemaligen Piloten Remzi Ünal, der nunmehr nicht nur als Detektiv, sondern, in literarischer Hinsicht, darüber hinaus als Ich-Erzähler fungiert. Sonst ließe es sich ja auch nur halb so cool sein. Ein schön trockener Humor krönt die scheinbar ungerührte Erzählhaltung des Helden, und schon deshalb folgt man ihm gern in den Sumpf der Istanbuler besseren Gesellschaft.

Remzi ist schon geraume Zeit recht beschäftigungslos, das regelmäßige Aikido-Training sein einziger Zeitvertreib, als eine energische ältere Frau bei ihm auftaucht. Sie stellt sich als Besitzerin einer Fabrik für Computerzubehör vor und will, dass er einem jungen Geschäftsmann, der Schulden bei ihr gemacht habe, ein bisschen Angst einjage. Remzi übernimmt den zweifelhaften Job nur unwillig, tätigt aber schon mal versuchsweise einen Drohanruf bei dem säumigen Schuldner, noch bevor er zur Firma seiner Auftraggeberin fährt, um das vereinbarte Honorar abzuholen.

Und schon ist es passiert. Das Geld findet er unversehrt vor, nicht aber die Auftraggeberin, die leblos hinter ihrem Schreibtisch thront, weil sie mittels einer um den Hals geschlungenen Computermaus ums Leben gebracht wurde. Da Remzi Ünal dringend Geld braucht, nimmt er sich des hinterlassenen Betrages an, fühlt sich jedoch nunmehr verpflichtet, der Ursache dieses offensichtlich fremd verschuldeten Todes nachzugehen.

Im Laufe der Ermittlungen wird er reichlich Gelegenheit haben, seine Aikido-Kenntnisse unter Beweis zu stellen, denn von vielen verschiedenen Seiten werden Schläger losgeschickt, die nun ihrerseits ihm Angst einjagen sollen.

Es gibt also reichlich Actionszenen, und auch sonst wird ein buntes Personal aufgefahren, an dem Remzi sich abarbeitet. Dicke Männer in Badehose tauchen auf, junge Männer in Ledermänteln und anderen stylischen Klamotten, von denen einer sich in die Hose macht, ein anderer sich auf seine kotzt. Das Prinzip der äußerlichen Coolness ist damit eindeutig als ironisches Stilmittel enttarnt. Hübsche Mädchen gibt’s auch, doch solche sieht Remzi Ünal höchstens von Weitem an, alles andere wäre uncool, und dies ist immer noch ein türkischer Krimi. – Allerdings einer, der so sehr am nordamerikanischen und westeuropäischen Kriminalroman geschult ist, dass er sich in seiner gesamten Anmutung ganz unauffällig ins durchschnittliche europäische Krimiregal einfügt; in literarischer Hinsicht aber auf einem fürs Genrefach durchaus überdurchschnittlichen Niveau, woran natürlich nicht nur der Autor, sondern auch sein Übersetzer Anteil trägt.

Ein Manko ist allenfalls, dass man sich vom entspannten Tonfall des Ich-Erzählers allzu gemütlich durch die Seiten tragen lässt und zum Schluss hin zunehmend die Übersicht über das Personal und die verschiedenen Schürzungen des Handlungsknotens verliert. Vielleicht ist dieser vom Autor auch ein- oder zweimal zu oft geschürzt worden, in dem Bemühen, es nicht ganz so einfach zu machen. Daran gemessen kommt die eigentliche Auflösung des Falles fast zu simpel daher. Aber dies ist ja auch kein Whodunnit, sondern ein Detektivroman, und da kommt’s gar nicht so sehr drauf an, wer was getan hat, sondern auf den Detektiv. Und der ist eben: siehe oben. Und dass man so nebenbei unheimlich Lust bekommt, nach Istanbul zu fahren, ist als Nebeneffekt garantiert beabsichtigt. KATHARINA GRANZIN

Celil Oker: „Dunkle Geschäfte am Bosporus“. Aus dem Türkischen von Nevfel Cumart. Unionsverlag, Zürich 2008, 246 S., 9,90 Euro