Stinkende Fische und warme Butter

„Butter bei die Fische!“, fordert der offizielle Hamburger CSD. „Die Fische stinken zum Himmel!“, antworten die selbst organisierten VeranstalterInnen queerer, lesbischwuler und transgender Räume heute Abend in der Roten Flora

Zwei regenbogenfarbene Fische liegen nebeneinander auf einem Teller. „Butter bei die Fische!“, fordert der diesjährige offizielle Hamburger CSD, „keine halben Sachen mehr“ und: „Endlich Gleichstellung.“ Denn beides ginge nicht: Fische ohne Butter und „Homo-Ehe“ ohne Gleichstellung. Und auch nicht: CSD ohne Jungfernstieg.

Trotz Baustelle findet dort bis Sonntag das offizielle Hamburger Christopher Street Day-Straßenfest statt. Ziel auch der heute um 12 Uhr an der Kreuzung Lange Reihe / Schmilinskystraße beginnenden Parade. Auf der offiziell für die volle rechtliche Gleichstellung eingetragener homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe, für ein gleiches Adoptionsrecht, für Aufklärung und Toleranz fördernden Unterricht hinsichtlich homosexueller Lebensweisen an allen Schulen und Jugendeinrichtungen der Stadt, für ein klares HIV-Präventionskonzept und die Einhaltung der Menschenrechte für Homosexuelle in allen Ländern der EU demonstriert wird. Den Abschluss findet die sechstägige „Pride Week“ auch dieses Jahr wieder im Edelfettwerk, wo „alle musikalischen Wünsche“ derjenigen erfüllt werden sollen, die sich nicht gerade vom anstrengenden Paradentag und einer Woche Lesungen, Diskussionen und Vorträgen im „hanseatisch standesgemäß in einer Villa an der Alster“ untergebrachten „Pride House“ im Außenbereich nebst Beach-Club erholen.

Derart den Christopher Street Day begehen mögen andere in Hamburg schon länger nicht mehr. Seit Jahren bieten selbstorganisierte VeranstalterInnen aus queeren, lesbischwulen oder Transgender-Zusammenhängen am Höhepunkt des CSD ihre Alternative in der Roten Flora an: nicht-kommerziell, explizit fernab von „Gay-Establishment“, Sponsoring und entpolitisiertem Spaß-Event. Nicht für Gleichstellung wird hier gestritten, sondern „für eine queere Revolution“. Homo- und Heterosexuelle gleichstellen? Ein bis zum Himmel stinkender toter Fisch! Butter bei die Fische? Was für Fische? Welche Butter? Leben die Fische noch? „Allenfalls: einfältig bis Gleichschaltung.“

Die Antwort der Selbstorganisierten auf die hanseatischen CSD-Forderungen: „Watt mutt dat mutt“. Nicht lediglich um Präsenz geht es, sondern darum, „die Diskurse über bestehende Strukturen, Leitbilder und gesellschaftliche Muster lebendig“ darzustellen. Das heißt: Vielfältigkeit und Heterogenität aufzeigen, für Selbstbestimmtheit und Authentizität plädieren. Anders als in der „Gleichstellungs-Polemik“ ist das Ziel nicht „Assimilieren in heterosexuelle Normalitäten und Normativitäten“. Kommerzialisiert und ritualisiert sei die Parade geworden: „leicht, schmeichelhaft, problemlos, angenehm, verführerisch“.

„Anders, aber gleichwertig“ treffen sich die dem Problemlos-Schmeichelhaften Abgeneigten zur sicher wieder komplett überfüllten Party auf drei Ebenen. Musikalisch werden hier am Stonewall-Gedenktag zwar nicht alle Wünsche erfüllt. Aber einer erlesenen Auswahl innerhalb des Spektrums Elektro – Indie – Dancehall – Ska darf sich sicher sein. Und live geben sich das Kopenhagener Elektro-Punk-Performer-Duo „Nuclear Family“ und das Leipziger Queer-Minimal-Transgender-Techno-Kollektiv „Homo Elektrik“ die Ehre.ROBERT MATTHIES

Sa, 2. 8., 23 Uhr, Rote Flora, Schulterblatt 71