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Auch die russisch-orthodoxe Kirche lobt den Meister – ausgerechnet als großen Vordenker für künftige Generationen. Denn der tief gläubige Literaturnobelpreisträger habe ein reiches Erbe an Gedanken für die Zukunft Russlands hinterlassen, sagte der Sprecher des Moskauer Patriarchats, Wsewolod Tschaplin. Der frühere Sowjetdissident habe Politik und Gesellschaft nicht nur kritisiert, sondern auch praktische Wege für ihre Entwicklung aufgezeigt.

„Alexander Issajewitsch bleibt für heutige und künftige Generationen ein Musterbeispiel an innerer Freiheit und menschlicher Würde“, sagte Tschaplin. „Er war in der Lage, mit den Machthabern im eigenen Land, im Westen und mit dem Volk zu sprechen. Dabei hatte er nie Angst, auf Unwahrheiten einzugehen. Er machte sich nie gleich mit irgendeiner Mode oder öffentlichen Meinung“, führte der russisch-orthodoxe Geistliche aus.

Über das Erstarken der russisch-orthodoxen Kirche und die Politik des Präsidenten Wladimir Putin hatte sich Solschenizyn in den vergangenen Jahren immer wieder positiv geäußert. Er unterstützte auch dessen umstrittene Tschetschenienpolitik.

Seit seinen letzten Schriften zur Geschichte des Judentums in Russland und der früheren UdSSR, in denen er den russischen Juden auf Grundlage dürftiger Quellen eine Mitschuld an der kommunistischen Diktatur gegeben hat, ist er allerdings umstritten. Auch während seines Exils in den USA hatten Kritiker Solschenizyn eine antisemitische Haltung vorgeworfen. Der Präsident der Akademie der Wissenschaften Russlands, Juri Ossipow, hatte Solschenizyn jedoch im vergangenen Jahr als einen der „größten Historiker und Philologen“ des 20. Jahrhunderts gewürdigt.