filme von paul schwarz
: Kameramann des neuen Lernens

Was fressen Ameisen eigentlich lieber? Paprika, Ingwer, ein Stück Kuchen oder ein kleines Lachsfilet? Die Kinder in der Nähe des Ameisenhaufens sind sich nicht sicher. Also probieren sie es aus. Sie postieren die kleinen Kostproben nahe des Baus. Und zählen und notieren dann, wie viele Ameisen sich über sie hermachen. Später werden sie noch testen, wie Ameisen verschiedener Völker aufeinander reagieren. Wenn man sie später so räsonnieren und abwägen hört, dann sieht man nicht eigentlich Schüler, sondern: Forscher.

Man sieht diese Schüler, was Wunder, in Finnland. Und man sieht sie bei Paul Schwarz, dem Bildungsfilmemacher, der für die OECD in Staaten rund um den Globus nachgesehen hat, wie es mit dem „Wissen der Zukunft“ aussieht. Schwarz hat sich zunächst die Naturwissenschaften angesehen, und nun spricht ihm eine junge Finnin in die Kamera, dass sie die ganz dringend braucht, weil sie mal fürchterlich viel Geld verdienen will.

Schwarz macht darüber nicht viel Kommentar. Er verweist nicht auf die miesepetrigen Girls-Day- und Mint-Berichte hierzulande, wo Frau Schlau versucht, den deutschen Mädchen wieder auszureden, dass sie gute Chancen hätten, wenn sie physikalisch, chemisch und so fort verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Schwarz lässt lieber seine Kamera sprechen, er ist der Kameramann des neuen Lernens.

Auch in dem Streifen über die Faszination der Naturwissenschaften, die zum Beispiel von Lehrern ausgeht, die auch an der Uni als Forscher arbeiten könnten, sieht man: Es geht um das Fach, die Wertschätzung für Natur. Aber im Mittelpunkt steht der Schüler, dessen Neugier zu wecken ist. Wie natürlich ist das in Finnland oder Kanada oder Japan, wo Schwarz drehte. Aber längst ist es auch in Deutschland, wo neues Lernen an vielen Schulen Fuß gefasst hat.

Schwarz bringt es in einem anderen Film über Heterogenität fertig, einen Berufsschullehrer zu finden, der sagt: Wenn er individuelles Lernen praktiziere, dann könne er Unterricht für alle machen; bei Frontalunterricht gehe das nur für wenige. Und ein Förderlehrer meint: „Wir graben in allem, was die Schüler mitbringen, nach den Stärken des Einzelnen. Viele Schüler wissen oft nicht, was sie alles können.“

Das sind die starken Momente der Filme von Schwarz. Dort entdeckt man in kleinen Sequenzen an Schulen, wo man es vielleicht nicht erwartet hätte, eine Fährte zum neuen Lernen. Wie das alte geht, wissen wir ja noch, weil wir paketweise vorm Lehrer saßen und oft ewig zuhören mussten, ehe wir selber drankamen. Das neue Lernen ist komplexer, es setzt bei der Eigenständigkeit des Schülers an, idealerweise bei seinen Stärken. „Die Lehrer müssen weg von der Idee“, hilft uns Ellen Hansen von der Berliner Werbellinsee-Grundschule, „dass sie alles im Blick haben und der große Dompteur sind. Sie müssen Arbeitstechniken bei den Schülern aufbauen und deren Selbstständigkeit entwickeln.“ Dann könne man besser beobachten, wo das einzelne Kind steht – und mit der gezielten Förderung beginnen. Knapper, kürzer lässt sich neues Lernen schwerlich beschreiben. Gefunden bei Paul Schwarz, dem Kameramann. CHRISTIAN FÜLLER

Paul Schwarz, „Wissen der Zukunft“. DVD 105 Minuten, Beltz 2008; ders, „Wie Schulen in Deutschland mit Heterogenität umgehen“. DVD 52 Minuten. GEW 2005