urdrüs wahre kolumne
: Hoch die Blasengesundheit!

Katamarane geraten auf der Rückfahrt von Helgoland in Seenot, in Bremen werden schon wieder vernachlässigte Kinder in bedrohlichen Prekariats-Haushalten ausgemacht und allenthalben empören sich schlichte Sozialdemokraten über das endlos große Arschloch Wolfgang Clement – doch auf dem großen Plakat vor dem Reformhaus setzt man ganz andere Prioritäten: „Auch in der Badesaison an die Blasengesundheit denken!“ Gut, daran erinnert zu werden …

In Bremen wird ein Mitarbeiter des Raubdezernats wegen einiger mittelmäßiger Überfälle festgenommen und prompt spricht Kripo-Chef Holger Münch von „Ansehensverlust“. Verlangt er da nicht zu viel von einem langjährigen Schreibtischtäter, wenn er von dem gleich irgendwas Filmreifes verlangt? Und liegt das nicht vielleicht auch daran, dass diesem der Apparat zu wenig Hilfestellung bei der Vorbereitung seiner Coups leistete? Bei mir jedenfalls hat sich das Ausmaß der Wertschätzung für die bremische Bullizei nicht geändert.

Ein japanisches, koreanisches oder am Ende gar chinesisches Pärchen informiert an einem mobilen Stand im Hauptbahnhof Hannover über Anlage- und Versicherungsmöglichkeiten bei der Allianz – zum Entsetzen eines älteren Herrn, der penetrant darauf aufmerksam macht: „Jetzt ist schon die Geldwirtschaft in asiatischer Hand: Nach den olympischen Spielen kaufen die hier alles auf!“ – „Besser die als die Russen“, bedeutet ihm prompt ein mindestens ebenso verbissen wirkender Mensch aus seiner Alterskohorte. Als ich drei Stunden später die Weiterfahrt antreten will, sind die von der Allianz verschwunden, während die Altenteiler inzwischen an der Kaffeebude um die Zukunft des Landes ringen. Erst jetzt stelle ich fest, dass beide knallig-bunte Flip-Flops tragen, obwohl sie sich offenkundig erst hier kennengelernt haben; vermutlich stets die Blasengesundheit im Kopfe.

Die Weiterfahrt ging übrigens ins niedersächsische Barsinghausen, wo auf dem Open Air-Festival die von mir mit Enthusiasmus erwartete Klassenkampfpunkkapelle „Commandantes“ ziemlich eingängiges Liedgut zum Besten gab. Der Zug war dementsprechend voll mit buntem Volk im gefühlten Alter von 18 oder 19, das sich mit dem Abspielen dämlichster Fußballlieder die Zeit vertrieb und mich rüde aufforderte, meinen fetten Arsch mal beiseite zu schieben, damit sich das Versorgungskommando mit drei Kisten Oettinger durchwühlen konnte. Worauf sich einer veranlasst fühlte, einen Sitzplatz für mich einzufordern, denn „der Opa gehört, glaub ich, zu uns!“ Angesichts solcher Gunstbezeugung und in Ermangelung von Alternativen habe ich dann sogar Oettinger getrunken – man soll auch nicht immer so dogmatisch sein!

Ob es auch Schnaps zu kaufen gebe, begehrt ein Mann im Sonderpostenmarkt des Walle-Center zu wissen und als dies verneint wird, ergreift er mit Rostocker Küstendialekt das Wort: „Das ist hier ja schlimmer als früher bei uns im Konsum. So ein großer Laden und kein Schnaps, da würde ich mich doch schämen, schämen würde ich mich da! Und Meister wird Werder im nächsten Jahr auch nicht …“ An solche Zusammenhänge glaubt zum Glück überhaupt nicht ULRICH „Eisenfuß“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, greift nur ausnahmsweise zu minderwertigen Hopfenprodukten.