Zu schwach für ein kategorisches Ende

Der Stalker Ali U., der im März seine Ex-Lebensgefährtin Aysin T. vor den Augen des gemeinsamen Sohnes erschoss, muss sich nur wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Staatsanwaltschaft erkennt keine Mordmerkmale

Aysin T. (33) war stets nachgiebig – und deshalb scheint ihr Ex-Freund Ali U. glimpflich davonzukommen: Obwohl der Stalker mehrfach T.s Ermordung ankündigte und schließlich die Frau durch fünf Schüsse umbrachte, muss sich der 36-Jährige nur wegen Totschlags verantworten, wenn im September sein Prozess vor dem Landgericht beginnt.

Es war ein nicht untypisches Beziehungsdrama: Nachdem sich das Paar, das einen gemeinsamen siebenjährigen Sohn hatte, im November 2007 trennte und Ali U. die gemeinsame Wohnung verlassen musste, stellte er T. mehrfach nach. Doch immer nahm sie ihre Anzeigen zurück, da sich U. entschuldigte und einsichtig zeigte. Erst als U. Aysin T. erneut auflauerte, sie an den Haaren durch die Wohnung zog, sie verprügelte und ihr mit dem Messer an der Kehle drohte: „Ich werde dich umbringen“, erwirkte T. beim Amtsgericht eine Verfügung. Danach durfte sich U. weder ihr noch dem Sohn nähern.

Daran hielt sich U. zunächst auch, obwohl er gegenüber der Familie die Morddrohungen mehrfach wiederholte. Doch Aysin T. wurde wieder schwach. Am 26. März dieses Jahres traf sie sich mit ihrem Ex-Lebensgefährten und hat ihn laut polizeilichen Ermittlungen in ihre Wohnung zur „Aussprache“ eingeladen. Sie wollte offenbar U. dazu bewegen, sich mehr um ihren Sohn zu kümmern. Im Verlauf des Gesprächs kam es erneut zu einem heftigen Streit. Ali U. zog eine Pistole aus der Tasche und schoss vor den Augen des Kindes fünfmal – ein Schuss traf Aysin T. direkt ins Herz. Trotz intensiver Versuche konnte die Notärztin das Leben von Asyin T. nicht mehr retten.

Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage erhoben. Aus ihrer Sicht sind bei dem Verbrechen jedoch die typischen Mordmerkmale Heimtücke oder niedere Beweggründe nicht gegeben. Schließlich habe das Opfer Ali O. freiwillig in die Wohnung gelassen und die Schüsse seien im Verlauf eines Streits gefallen.

Für die Familienanwältin Mechthild Garweg ist es ein wiederkehrendes Problem, dass von Gewalt bedrohte Frauen schwach werden. „Die Struktur war hier so angelegt: Der Patriarch, der über die Frau bestimmt“, so Garweg, „und die Frau, die immer wieder zur Versöhnung zurückgekehrt“. KAI VON APPEN