Gestern gegen Morgen

Der 1. FC Kaiserslautern scheidet 1:2 in Jena aus und versucht, endlich die eigene ruhmreiche Tradition zu überwinden

JENA taz ■ Nun ja, die Tradition. Das ist das, was den 1. FC Kaiserslautern noch unterscheidet von manch anderen unterklassigen Verein. Es ist eine lange und erstklassige Tradition mit vielen Helden und manchem Titel. Aber: „Im Fußball zählt kein Gestern“, sagte Milan Sasic am Sonnabend im Ernst-Abbe-Sportfeld. Da hatte der Trainer gerade mit angesehen, wie seine Mannschaft in der ersten DFB-Pokalrunde gegen den FC Carl Zeiss Jena ausschied. Eine ziemlich glatte 1:2-Niederlage eines unsicheren und einfallslosen Zweit- gegen einen Drittligisten, der seine raren Möglichkeiten nutzte. Es war lediglich eine kleine Sensation: Lautern ist im Mai nur dank eines finalen Kraftakts nicht abgestiegen, Jena hatte die gesamte Spielzeit viel Mühe darauf verwandt, sein Potenzial lieber nicht zu nutzen.

Dass das Gestern nicht zählt, ist insofern bei den Lauterern allerdings nicht ganz richtig, als dass ihre Vergangenheit, ihre auf weltmeisterlicher Fritz-Walter-Tradition fußenden Ambitionen, ihnen die Probleme beschert hat, die sie heute plagen. Sie sind durch jahrelanges Missmanagement und die zu gewaltige Anstrengung, ein WM-Standort zu sein, ein finanziell fast ruinierter Verein, der in der ökonomischen Krise auch sportlich in sich zusammenbrach. Im Heute ist – seit Februar – nun Milan Sasic Trainer. Und seit April Stefan Kuntz Vorsitzender.

Kuntz ist auch Tradition: Deutscher Meister, Pokalsieger, Europameister. So etwas wie eine Lauterer Lichtgestalt. Und um die durch die letzten Jahre des Darbens müde gewordenen Anhänger wieder in Wallung zu bringen, rief er die Aktion Herzblut aus. Zur Abwendung des Absturzes in die Dritte Liga reichte das gerade so. Ob die Gefühle ausreichen werden, den drohenden Alltag mit einer zweitklassigen Mannschaft auszuhalten, ist eine andere Frage.

Jetzt haben Kuntz und Sasic ihre erste gemeinsame Lauterer Saison vorbereitet. Viele Spieler aussortiert, ein paar geholt. Viel Verletzungspech kam gleich mit. In Jena saßen gerade noch vier einsatzfähige Feldspieler auf der Bank. Dass unter den Reservisten auch Fabian Schönheim war, der vor zwei Jahren noch zu den hoffnungsvollen Eigengewächsen gehörte, spiegelt sportlich, wie leichtfertig seit dem Erstligaabstieg 2006 die Nachwuchsförderung vernachlässigt wurde. Lieber kaufte man ein. Gern auch ohne Sinn und Verstand.

Außer auf der Torwartposition. Gute Männer zwischen den Pfosten zieht Torwarttrainer Gerry Ehrmann in Serie heran. Problemlos konnte in der vergangenen Saison Tobias Sippel den verletzten Florian Fromlowitz ersetzen. Sippel ist aber momentan nicht einsatzfähig, sein erster Ersatz ebenso wenig. In Jena debütierte Kevin Trapp, nur 18 Jahre alt. Als nach müder erster Halbzeit Andre Schembri einen Heber anbrachte (50.), konnte Trapp dem Ball nur hinterhersehen. Fünf Minuten später parierte er in einem Gestocher nach einer Ecke zwar noch, aber nur vor die Füße von Marco Riemer, der zum 2:0 einschob.

Nun ist Jena ein Verein, der sich jüngst dadurch auszeichnete, noch jedes gute Punktsspiel und jede Führung zu versemmeln. Deswegen ist der FCC abgestiegen. Diese Saison ging gleich wieder so los, als könnten die Jenaer Spieler das Gestern nicht vergessen. Im ersten Drittligaspiel verdaddelten sie eine 2:0-Führung, im zweiten aber machten sie aus einem 0:2-Rückstand noch einen Sieg. Und im Pokal haben sie schon in der Vorsaison gezeigt, dass sie sehr wohl die Nerven behalten können. Sie schlugen Nürnberg, Bielefeld, Stuttgart und scheiterten erst im Halbfinale in Dortmund. Gegen Kaiserslautern kassierte Jena nur noch das 2:1 durch Srdjan Lakic (78.). Nervös wurden hernach allein die Gäste. Kapitän Axel Bellinghausen, ein rustikaler Kämpfer, sah wegen eines Schubsers die gelb-rote Karte.

Kaiserslauterns Coach hatte Erklärungen für die Niederlage. Dass seine Mannschaft ohne Pflichtspielpraxis war, in dieser Formation noch nie zusammengespielt, waren Überlegungen, die Sasic anstellte, aber: „Ich kann Berge von Alibis schmeißen – es wären Alibis.“ Es zähle im Fußball „nur das Morgen“. Das Morgen hat zwar keine Tradition. Dafür darf man auf Morgen immer hoffen.

KATRIN WEBER-KLÜVER