Loretta und ich

Die Landung

Ein Schatten war gelandet. Auf dem Flughafen Tegel bedankten wir uns für die Befreiung. Es roch nach Fleisch, eine Sehnsucht überkam mich. Schüler baten um ein Foto und um Jobs beim Film. Auf dem Pariser Platz der Blick auf die französische Fahne, die sie eben geklaut hatten. Der Blick der Sekretärin, als ich das Büro stürmte, die Lungenfachpraxis. Sie trug einen Lampenschirm als Rock, Spangen im goldblonden Haar, vor ihr stand ein Kaffeebecher mit dem Union Jack.

Sie sagte: „Diese Ordner können gefahrlos gelöscht werden.“ Ich musste lachen, wo war ich? Die Sekretärin musterte mich und sagte schon den nächsten Satz. Murmelmeldungen, etwas wie: „Es gibt keine Liebe auf den ersten Blick! Es ist eine Konstruktion im Nachhinein!“ Unten fuhr ein Reisebus vorüber, er war rosa gestrichen, Rentnerinnen warteten darin auf ihre Bestimmung. Bauklötze, Parfümschatten.

Ich rümpfte die Nase. Ich hätte mich nach rechts setzen sollen, überlegte ich und verlangte einen Aschenbecher. „Das Jahrhundert des Rauchens ist vorbei“, antwortete die Sekretärin und nippte von dem Kaffee. Der Schreibtisch zwischen uns löste sich in Luft auf, ein Luftschreibtisch, fast wie meiner, dachte ich. Die Tasse mit dem Union Jack tanzte im Nichts.

Was führte mich her? Alles, was mir einfiel, war Loretta. „Ich habe sie auf der Leinwand gesehen“, dachte ich, „ich sah sie auf Plakaten! Ich sah sie auf der Straße, ich sah sie im Fernsehen, das ist doch nicht nichts!“ Die Sekretärin lächelte nachsichtig. Unten rauschten Ambulanzen vorbei, über der Stadt lag ein Fluch, aber der Krieg war vorbei, die Gefechte wurden eingestellt, und vor mir saß kein Erschießungskommando, sondern nur eine weitere Alternative. Ich lächelte sie an.

RENÉ HAMANN