Dialoge allein (4)

Eins, zwei, atmen

Die Melancholie des Wortes Dauerregen. Die Einsamkeit des Normalstreckenjoggers unter diesem verschieden grauen Wattehimmel. Im Vorüberziehen die unterschiedlichen Reaktionen der Bäume auf die vorangegangene Trockenheit; ganz zerfressen schon die Blätter der Kastanien, die tumben Eichen noch in voller Pracht, ein Baum, dessen Namen du nicht kennst, mit zum Rande hin sich ganz fein austrocknenden Blättern.

Im Körper der, wenn man ausgeschlafen läuft, sich wie von selbst abspulende Rhythmus. Eins, zwei, atmen. Eins, zwei, atmen. Im Kopf ein träges Rudel freundlich gründelnder Sätze. Das „Ich denke“, das Kant zufolge alle meine Vorstellungen muss begleiten, ist das „Ich atme“, das sie tatsächlich begleitet. William James. Ein Satz aus der Lesegruppe. Und: Nee … Das ist ja das Gute hier. Hier kann man nichts falsch machen. Hier ist alles scheißegal. Sven Regener. Aus dem neuen Frank-Lehmann-Roman, der nun auch bald kommt.

Und Erinnerungen im Kopf an diesen fantastischen Sonnenuntergang im Urlaub an der polnischen Ostseeküste. Erst lässt die Sonne im Sinken ihre Wolkenflügel gleißend aufflammen. Dann dachtest du schon, sie sei weg, doch von einem Ort jenseits des Horizonts her sandte sie noch einmal ein fettes Licht. Und das Meer lag da wie gekleidet in ein anderes Rot.

In Runde acht dann, wie so oft, kurze Ermüdungsphase, aber gelingende Ablenkung durch Vorfreude auf das beste Gulasch der Stadt im Sissi. Von da an: Endspurt. Und das Glück, einmal nichts zu sagen zu haben –

dachte alles ein bärtiger Mann, der in Joggingschuhen, die er vor einem Dutzend Jahren in Minneapolis gekauft hat, am Wochenende im Park seine zehn Runden lief. DIRK KNIPPHALS