kabinenpredigt
: Skandale im Sommerloch

Es ist fast merkwürdig still geworden um das Berliner Olympiastadion. Selbst die alljährliche Namensdebatte ist in diesem Sommer ausgefallen. Wir müssen wohl bis zum nächsten großen Regen warten, bis endlich wieder neue Nachrichten aus Berlins größter Sportanlage zu uns dringen. Vielleicht die, dass die Hertha-Spieler sich jetzt auch mal als Handwerker verdingen. Es ist ja bekannt, dass sich immer wieder wilde Krähen auf das erst vier Jahre alte und 26 Millionen Euro teure Stadiondach stürzen. Die Vögel haben es auf das schmackhafte Fugenmaterial zwischen den Glassegmenten abgesehen. Darauf hacken und picken sie so lange herum, bis davon nichts mehr übrig ist. Die Konsequenz: Das Dach ist so löchrig wie ein Schweizer Käse, und der Regen kann nahezu barrierefrei auf die Fans in den Oberrängen niederprasseln.

Was spricht also dagegen, wenn Hertha-Coach Lucien Favre seine Spieler nach jedem verlorenen Heimmatch zunächst als Aushilfshandwerker hoch zum Stadiondach schickt, bevor er ihnen dann die Leviten liest? Diese Maßnahme würde doch auch prima unter den Punkt „Arbeitsgrundsätze“ im Hertha-Verhaltenskodex passen, dem sich der Verein verschrieben hat. Es scheint ja derzeit ohnehin ziemlich schick zu sein, sich seine Stadien selber in Schuss zu halten. Die Berliner Baubehörde wird es freuen.

Die Union-Fans zum Beispiel reparieren gerade ihre Köpenicker Heimstätte „Alte Försterei“ – umsonst und draußen. Statt im wohlverdienten Sommerurlaub zu faulenzen, nehmen unzählige Anhänger der „Eisernen“ lieber die Schippe in die Hand. Als fleißige Handwerker sanieren sie auf der Sportanlage des Drittligisten die Tribünendächer und Kassenhäuschen.

Und hier noch einige Vorschläge für alle Fußballfans und Spieler, denen es auf der Strandmatte, auf dem Balkon oder zwischen den Matches zu langweilig wird. Folgende Stadien warten dringend auf eine Renovierung: Das Poststadion am Hauptbahnhof ist nur noch eine Ruine, aber immerhin mit denkmalgeschützter Tribüne. Beim Stadion von Wacker 04 in Reinickendorf stört ein Zaun. Das Wilmersdorfer Stadion des BSV 92 bedarf einer Generalüberholung. Auf den Tribünen wird nicht mehr angefeuert, sondern nur noch Wein angebaut. Ein Skandal, oder? TORSTEN HASELBAUER