Keine Vorwürfe, nur Ratlosigkeit

Die deutschen Ruderer beenden die Wettbewerbe mit der schlechtesten Bilanz seit 1956. Sie kennen auch die Gründe

PEKING taz ■ Die chinesische Abendsonne schien mild auf den Shunyi-Park, die idyllisch gelegene Ruderanlage dieser Sommerspiele, aber sie hellte die düstere Stimmung in der Mannschaft des Deutschen Ruderverbandes (DRV) nicht auf. „Natürlich gibt es Gründe“, sagte Kathrin Boron. Die 38-Jährige Potsdamerin hatte mit dem Doppelvierer ihrer beeindruckenden Medaillensammlung mit allein vier Olympiasiegen seit 1992 just eine Bronzemedaille hinzugefügt. Doch so richtig freuen konnten sich Boron und ihre drei Kolleginnen nicht.

„Ich habe jetzt fünfmal bei Olympischen Spielen auf dem Siegersteg gestanden, das können nicht so viele vorweisen“, sagte sie, „aber natürlich hatten wir uns mehr vorgenommen.“ Eine weitere Olympiateilnahme wird es für Born nicht geben, „das war definitiv mein letztes Rennen“, sagte sie.

Einige Minuten zuvor hatte DRV-Sportdirektor Michael Müller gar nicht erst versucht, das insgesamt deprimierende Abschneiden der einstigen Medaillengaranten schönzureden. Nur zwei Medaillen, einmal Silber durch den Doppelzweier der Frauen, und nun Bronze; dazu dieser denkwürdige Untergang des Achters, des einstigen Flaggschiffes, dessen fragwürdige Umbesetzung kurz vor den Spielen für Schlagzeilen gesorgt hatte: So schlecht war das deutsche Rudern seit Melbourne 1956 nicht mehr. „Das ist eine bittere Niederlage für die deutsche Ruder-Nation und für den Deutschen Ruder-Verband. Das ist nicht unser Anspruch“, sagte Müller. „Wir sind nicht mehr die führende Rudernation der Welt.“ Die Tatsache, dass ein mysteriöser Infekt einige Sportler erwischt hatte, mochte der Sportdirektor nicht als Ausrede gelten lassen. Es gehe um Grundsätzliches. Um die Strukturen.

Müller beklagte, dass die Chancengleichheit gegenüber Nationen wie Großbritannien oder China nicht mehr gegeben seien. „Wir haben ein Problem, und das ist die Frage der zeitlichen Freistellung der Athleten in den letzten zwei Jahren vor solch einem Wettbewerb“, so Müller. Die deutschen Ruderer könnten, so Müller, nur 15 Stunden die Woche trainieren, und müssten sich um die Finanzierung ihres Leistungssports kümmern, während dies bei anderen Nationen geregelt sei. Auch die exorbitant hohen Prämien, die in anderen Verbänden ausgelobt werden (teilweise 100.000 Dollar für einen Olympiasieg), sind im deutschen Leistungssport utopisch. „Wir bedanken uns ausdrücklich dafür, dass die Stiftung Deutsche Sporthilfe und die Bundesministerien uns unterstützen, darum geht es nicht“, so Müller. Es gehe um die „soziale Absicherung der Sportler“. Wegen dieser ungleichen Bedingungen „kann ich Athleten und Trainern keine Vorwürfe machen“.

Die Bronze-Ruderinnen sehen es ähnlich. „Es ist schwierig, den Job als Bankkauffrau und den Sport unter einen Hut zu bringen, Rudern ist nun einmal sehr zeitintensiv“, so Boron. „Das Problem ist zudem, dass wir Sportler nach dem Leistungssport oft in ein berufliches Loch fallen“, ergänzte die Berlinerin Britta Opelt, die sich im letzten Jahr von der Bundespolizei freistellen ließ. Überhaupt sei die Form der Förderung zu überdenken: „Wenn wir jetzt diese Bronzemedaille nicht gewonnen hätten, wäre die Förderung weggefallen, und dann ist die Lage noch schlechter.“ Ein Teufelskreis.

Die vier Ruderinnen, die noch größeren Schaden vom DRV abgewendet hatten, wirkten gefasst. Ihre britischen Konkurrentinnen, Weltmeisterinnen von 2007, hatten sich noch nicht mit ihrer Silbermedaille abgefunden. Während das chinesische Quartett das erste Ruder-Gold der olympischen Geschichte für das Reich der Mitte enthusiastisch feierte, schluchzte die Schlagfrau Debbie Flood aus Henley bitterlich. ERIK EGGERS