ortstermin: am roten Teppich
: James und die Achterbahn

Der junge Mann im Maßanzug stürzt auf die Fotografen zu, als wären sie die Beute, nicht er. Im Blitzlichtgewitter kneift er die Augen zusammen, hebt die Hände wie beim Boxen, lupft das Sakko, als wollte er einen Pistolenhalfter unterm Arm zeigen und fällt schließlich auf dem roten Teppich vor den Fotografen auf die Knie, der Theatralik wegen. „I’m gonna be the new Donald Trump“, hat der junge Mann zuvor in eines der Mikrophone gesprochen und dazu das Lächeln eines US-amerikanischen Waffenlobbyisten jenseits der 60 aufgesetzt. Dabei ist der junge Mann gerade mal 17. Er lebt in New York, sein Name ist James Garfunkel, er ist der Sohn von Art Garfunkel und er hat sich auf diesen roten Teppich vor dem Cinemaxx am Hamburger Dammtor verirrt, weil er in dem Film mitspielt, der gleich Premiere haben wird.

Der Film heißt „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ und ist das neue Werk von Leander Haußmann, dem Regisseur von „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“. Robert Zimmermann ist ein 26-Jähriger Videospiel-Designer, der sich in eine 45-Jährige Frau verliebt, alle Register zieht, um sie zu erobern und zwischendurch seine Familienangehörigen trifft, die alle ebenso schräge Liebesbeziehungen führen.

Am 28. August wird der Film anlaufen und zuvor gehen die Beteiligten gleich zweimal über rote Teppiche: Auf die Premiere in Hamburg, wo der Film spielt, folgt die Premiere in Berlin, wo die Produktionsfirma sitzt. Der Promi-Faktor allerdings bleibt überschaubar: Die Hauptrollen spielen Tom Schilling und Maruschka Detmers. Detlev Buck ist Co-Produzent, die Musik stammt von „Element of Crime“.

Und James Garfunkel? Ist in Deutschland nur bekannt aus Beiträgen im Privatfernsehen, die den 17-Jährigen dabei zeigen, wie er Papas Geld in Luxusgeschäften verprasst und dabei ironiefrei Müll labert: Ein Geschäftsmann wolle er sein. Und eine Karriere im Stile einer Achterbahn erleben, beginnend in Deutschland. In Internetforen diskutieren derweil Art-Garfunkel-Fans, wie lange Pubertät dauern kann und ob es nicht doch eine Chance gibt, dass die Uhr im Wert eines Einfamilienhauses als Scherz gemeint ist.

In Haußmanns Film wird James Garfunkel sich in einer kurzen Szene selbst spielen. Er wird in einer Hamburger Kneipe sitzen, sich als Sohn von Art Garfunkel vorstellen und zum Beweis singen. Ihm gegenüber wird Robert Zimmermann sitzen und sich einmal mehr bewusst werden, dass Robert Zimmermann der bürgerliche Name von Bob Dylan ist. Der fiktiv durchgeknallte Namensvetter von Bob Dylan trifft den real durchgeknallten Sohn von Art Garfunkel – als hätte Regisseur Haußmann beweisen wollen, dass sein Humor von der Realität gedeckt wird.

Die Fotografen am roten Teppich sind dankbar für James Garfunkel, immerhin ist es ein Name, den sie sich nicht gegenseitig buchstabieren müssen. Nach dem Film wird James Garfunkel durch die Gesprächsgrüppchen streifen und mit einem seiner Nobel-Handys telefonieren. Dann wird er sich wundern, dass es in Deutschland cool ist, auf der Premierenparty Currywurst und Fischbrötchen zu reichen. Aber zum Glück kommt nochmal ein Fernsehteam vorbei. „Meine Karriere“, sagt Garfunkel im gleißenden Licht, „wird fantastisch werden.“ KLAUS IRLER