Autofahren mit Ohrenstöpseln

betr.: „Mal so richtig Strom geben“, taz vom 13. 8. 08

Seit zehneinhalb Jahren fahre ich meinen Landrover/Defender, permanent allradbetrieben mit ca. 10 Litern auf 100 Kilometer durchschnittlichem Dieselverbrauch. Er rotzt rund 260 Gramm CO2 pro 100 Kilometer raus. Wenn ich nach siebeneinhalb Stunden Fahrt (etwa 680 Kilometer) in meiner Heimatstadt Berlin ankomme, dröhnen mir die Ohren und er hat bei Tempo 125 wahrscheinlich wieder 12 bis 14 Liter pro 100 Kilometer geschluckt. Mit Ohrenstöpsel erreiche ich kommod und ganz entspannt mein Stammcafé Lentz, wobei die Kiste immer noch leiser war als die S-Klasse von Mercedes ohne Ohrenstöpsel. Die öffentliche Meinung über unnütze Geländekraftprotze ohne Anhängerkupplung, aber mit kinderfeindlichem Bullenrammschutz (in Deutschland mangels Bullen auf den Straßen völlig idiotisch), suggeriert mir zu Recht ein schlechtes Gewissen. Ich sollte ein emissionsarmes Auto fahren, um das Klima zu retten.

Meine Antwort dazu: Scheiß drauf, denn erstens ist die Kiste seit über 10 Jahren genau das Fahrzeug, das meinen Bedürfnissen nach Raumangebot, universeller Nutzung als Zugmaschine, Wohnmobil bei Angeltouren, Geländefahrten und sonstigen Aktivitäten mehr als gerecht wird, und zweitens rotzen alle kinderfeindlichen Lastkraftwagen, Eisenbahnen, Flugzeuge, Regierungskarossen, protzige Firmenwagen, Containerschiffe, Binnenschiffe, Ausflugsdampfer, Kohlekraftwerke, nach Afrika ausrangierte Gebrauchtwagen und Schwuchteljeeps mit schwarzer oder silbergrauer Promi-Lackierung (die nie Gelände sehen, dafür aber als Geltungstriebwagen und Schwanzverlängerung fungieren) mehr CO2 aus, als meine geliebte grün-weiße Kiste. Wenn ich das Auto zugunsten des Klimaschutzes verkaufe, fährt ein anderer damit herum (mit meinem Auto!).

Solange einer von uns beiden noch durchhält, werden wir unzertrennlich bleiben. Und wenn einer von uns beiden verreckt, dann kaufe ich mir ein Solarauto für zwei Personen, das dann hoffentlich mehr als 100 Kilometer in einem Stück schafft!

GERNOT ZOTHNER, Schömberg