Klassenziel erreicht

Er nahm den Umweg über das Halbfinale, aber ihm sieht man es nach: Der Kanute Max Hoff hat es ins Finale geschafft – obwohl er erst vor einem Jahr die Disziplin wechselte

„Von seiner Physis her können wir noch viel Freude mit ihm haben, wenn er mehr Routine bekommt“

AUS PEKING SUSANNE ROHLFING

Es war nur das Halbfinale, das ja für deutsche Kanuten eher ein peinlicher Ausrutscher denn ein großer Moment ist, doch Bundestrainer Detlef Hoffmann herzt Max Hoff nach seinem souveränen Sieg und dem damit verbundenen Finaleinzug im Kajak Einer über 1.000 Meter, als wäre der Kölner gerade Olympiasieger geworden. „Der Kerl paddelt ja erst seit einem Jahr“, sagt Hofmann. Dann schickt er den 25 Jahre alten Athleten los, als wäre er ein kleiner Schuljunge. Er soll sich eine Mütze aufsetzen, gegen die Zugluft, und etwas Trockenes anziehen. Nicht dass sich seine leichte Erkältung vor dem Finale am Freitag noch verschlimmert.

Ins Halbfinale muss bei den Kanuten, wer seinen Vorlauf nicht gewinnt. Den deutschen Athleten passiert das nicht so oft. Sie reisen zu den Großereignissen, um Medaillen zu gewinnen, nicht um Halbfinals zu fahren. Dass der dreimalige Kanadier-Olympiasieger Andreas Dittmer aus Neubrandenburg am Mittwoch in Shunyi-Park nördlich von Peking wie Hoff den Umweg über die zweite Runde gehen musste, ist ein Zeichen der Schwäche. Dittmer fand wie schon bei den Vorläufen über 1.000 und 500 Meter nur sehr schwer ins Rennen. „Es läuft noch ein bisschen zäh. Ich habe nach wie vor Anpassungsprobleme mit dem Klima“, sagte der achtmalige Weltmeister. Max Hoff würde man solche Probleme sicherlich viel eher nachsehen. Obwohl er auch schon länger paddelt.

Tatsächlich nämlich seit seiner Jugend. Er braucht auch niemanden, der ihm sagt, wann er eine Mütze aufsetzen soll. Max Hoff war schon Welt- und Europameister. Er ist ein gestandener Sportler. Aber im Wildwasser. Auf der flachen Strecke, bei Olympia, ist er ein Neuling. Ein Schuljunge. Aber einer, der sich gerade eine Eins verdient hat. „Max hat das super hinbekommen, das war ein optimales Rennen“, sagt Hofmann nach dem Halbfinale. Bis kurz vor Schluss lag Hoff noch auf einer Höhe mit drei Konkurrenten. Das war einer zu viel für die drei Finalplätze. Mit einem beeindruckenden Endspurt zog der Deutsche jedoch allen anderen davon. Hoff gestand anschließend: „Ich war sehr nervös, da hat das wirklich gutgetan.“ Er ist es nicht gewohnt, der Anfänger zu sein. Er war ja so lange immer der Favorit.

Weil im nichtolympischen Wildwasserrennsport kaum jemand mehr Paroli bieten konnte, probierte er vor zwei Jahren aus, ob er auch in der olympischen Nachbardisziplin mithalten kann. Er konnte. Der Männer-Einer ist nicht gerade ein deutsches Paradeboot. Andreas Stähle mit Silber über 500 Meter und André Wohlebe mit Bronze über 1.000 Meter waren 1988 die letzzen Deutschen, die im Einer olympische Medaillen holten. Max Hoff wurde in seinem ersten Kanurennsport-Jahr in der vergangenen Saison auf Anhieb EM-Dritter. Bei der WM fuhr er noch knapp am Finale vorbei. In diesem Jahr wurde er wieder EM-Dritter – und jetzt steht er im olympischen Finale. „Das ist schon cool“, sagt der Biologie-Student, „wo ich doch vor zwei Jahren noch nicht mal überhaupt an Olympia gedacht habe.“

Die Taktik, die Detlef Hofmann dem Quereinsteiger ans Herz gelegt hat, geht so: „Er muss bei 400 Metern ganz langsam anfangen, das Tempo hochzuziehen.“ Von den üblichen Zwischenspurt-Spielchen seiner erfahren Kollegen dürfe er sich nicht irritieren lassen. „Wenn ich könnte, würde ich ihm irgendwas bauen, damit er die anderen nicht sieht“, sagt Hofmann. Bis jetzt war Hoffs einziger Konkurrent auf der Strecke immer nur die Uhr, da die Wildwasserkanuten nacheinander starten. Sie konnte ihn nicht ablenken. „Hinten ist Max der Supermann“, sagt Hofmann. „Von seiner Physis her können wir noch viel Freude mit ihm haben, wenn er noch etwas mehr Routine bekommt.“ Im olympischen Finale sei ab Platz vier alles möglich, sagt Hoff, „aber eine Medaille ist nicht realistisch“.

Neben den drei großen Favoriten Adam van Koeverden (Kanada), Eirik Verås Larsen (Norwegen) und Tim Brabants (Großbritannien) ist Hoff eben doch noch der Schuljunge. Einer, der leuchtende Augen bekommt wie an Weihnachten, wenn er wildes Wasser sieht. So geschehen an der olympischen Kanuslalom-Strecke direkt neben der flachen Regattabahn. Sie ist kürzer als eine Wildwasserabfahrtsstrecke, und es hängen Tore im Weg. Dennoch wurde Hoff wehmütig. Er hätte sich am liebsten ein Boot geholt und ein bisschen in den Wellen gespielt. Seine Teamkameraden scherzten, dass sie ein Schild aufhängen müssen mit der Aufschrift: „Zutritt für Max verboten.“ Sie wollen ihre neue Einer-Hoffnung nicht wieder verlieren.