Stadtfrauen holen beim Gehalt auf

Auf dem Lande verdienen Frauen immer noch viel schlechter als Männer, zeigt eine neue Studie

BERLIN taz ■ Gut ausgebildete Frauen können in Großstädten deutlich mehr Geld verdienen als in der Provinz. Der sogenannte Gender Pay Gap, das Gehaltsgefälle zwischen den Geschlechtern bei gleicher Qualifikation, ist in Ballungsräumen wesentlich geringer: Während weibliche Angestellte in Großstädten immerhin 88 Prozent des durchschnittlichen Einkommens ihrer männlichen Kollegen erreichen, kommen sie in ländlichen Gebieten nur auf 67 Prozent.

Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die die Bruttostundenverdienste von Angestellten in den Jahren 2005 und 2006 auswertet.

„Die Lücke bei der Entlohnung von Männern und Frauen beträgt seit Jahren knapp 30 Prozent“, sagt Elke Holst vom DIW, die die Studie mit verfasst hat. Damit liegen die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern in Deutschland über dem EU-Durchschnitt. Die Europäische Kommission hat in der Vergangenheit immer wieder eine Reduzierung der Unterschiede angemahnt.

Für Städte wie Berlin, München, Leipzig oder Köln konstatiert die Studie eine relativ schmale Kluft. Die wichtigsten Gründe sieht DIW-Expertin Holst in der Konzentration großer Dienstleistungsunternehmen in den Ballungsräumen, im höheren Bildungsniveau und in einer „stärker egalitär ausgerichteten urbanen Kultur“.

Arbeitsmarktstrukturen, die Frauen benachteiligen, finden sich laut der neuen Erhebung vor allem in dünn besiedelten Gebieten. In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit liegt das Lohnniveau meist generell niedriger, wobei weibliche Beschäftigte besonders hohe Verdienstabschläge hinnehmen müssen. Den „im Vergleich zu Männern stärkeren Effekt“ erklärt die Forscherin unter anderem mit familiären Verpflichtungen, die „die Position von Frauen bei Gehaltsverhandlungen schwächen“. Fürsorgeaufgaben schränkten die regionale Mobilität ein und damit auch die „Möglichkeiten, in andere berufliche Tätigkeiten zu wechseln“. Männer, von der Haus- und Erziehungsarbeit weitgehend freigestellt, könnten ihrem Arbeitgeber leichter mit Abwanderung drohen.

Als wichtigen Faktor für eine bessere Bezahlung macht die Studie deshalb kommunale Rahmenbedingungen wie die Kinderbetreuung aus. Auch innerhalb der Betriebe, betont Holst, sei ein Umdenken dahin gehend notwendig, dass Mütter keine geringeren Leistungen erbringen: „Wir haben es häufig mit Stereotypen zu tun, die auf traditionellen Bildern beruhen.“

Männer verdienen laut DIW in Großstädten fast 9 Prozent mehr als die in ländlichen Gebieten. Ihnen gelingt es offenbar besonders gut, urbane Vorteile wie etwa berufliche Netzwerke effektiv zu nutzen. Das Fazit der Untersuchung: Eine „egalitäre Kultur“ allein reiche nicht aus, um gleiche Entlohnung der Geschlechter zu erreichen. THOMAS GESTERKAMP

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