Klima-Gau im Rathaus

Das Klima- und Antirassismus-Camp spaltet Hamburgs Politik. Die SPD isoliert sich, die Linke muss sich gezwungenermaßen der schwarz-grünen Koalition annähern. Und die bekommt wegen innenpolitischer Laschheit Ärger mit der Polizeigewerkschaft

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Das Klima- und Antirassismus-Camp spaltet die Politik in Hamburg. Die etwa 1.000 AktivistInnen hätten sich von mehreren Sachbeschädigungen der vergangenen Tage „nicht klar distanziert“, monierte der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel am Donnerstagabend im Innenausschuss der Bürgerschaft. Selbst ein „Verbot des Camps“ steht für ihn zur Debatte. Christiane Schneider von der Linken hingegen erklärte, „das Camp als politische Aktion zu begrüßen, Straftaten aber natürlich nicht“. So fiel es denn der schwarz-grünen Koalition leicht, die uneinige rot-rote Opposition auszubremsen.

Er habe nun mal „im Rechtsstaat die Meinungsfreiheit zu sichern“, stellte Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) klar. Straftaten seien TeilnehmerInnen des Camps „bislang nicht nachzuweisen“, selbst wenn inhaltliche Zusammenhänge „ohne viel Phantasie herstellbar“ seien. Das Camp dürfe „nicht kriminalisiert werden“, assistierte der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse, und die grüne Innenpolitikerin Antje Möller hält die Kritik der SPD schlicht für „unseriös und die Einberufung des Ausschusses für überflüssig“.

Grund für die Sondersitzung des Ausschusses sind vier Anschläge, die zumindest für Bild in direktem Zusammenhang mit dem Zeltlager stehen: „Die Chaos-Camper zeigen ihr wahres Gesicht.“ Am Mittwoch verwüsteten etwa 30 Vermummte die Ausländerabteilung des Bezirksamtes Hamburg-Nord, ein Angestellter wurde dabei leicht verletzt. In der Nacht zum Mittwoch voriger Woche wurde am Haus des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Gunnar Eisold eine Fensterscheibe eingeworfen und die Parole „Abschiebung = Mord“ an die Fassade gesprüht. Eisold ist als Referent in der Ausländerbehörde zuständig für die Erstaufnahme von Flüchtlingen. Am selben Tag gab die Polizei bekannt, dass zwei Nächte zuvor ein Kleinlaster eines Wachdienstes für Asylunterkünfte in Brand gesetzt worden war. Gleichzeitig war ein Farbanschlag auf das Haus von Ralph Bornhöft verübt worden: Der Sozialdemokrat ist Chef der Ausländerbehörde.

SPD-Fraktionschef Michael Neumann warf deshalb dem Senat „Vertuschung“ vor. Die Innenbehörde habe „politisch motivierte Straftaten verheimlichen wollen“. Um „des Koalitionsfriedens Willen“ opfere die CDU Sicherheitsinteressen der Stadt, meinte er. Dressel wies darauf hin, dass Bornhöft und Eisold in einem Flyer des Antirassismus-Camps namentlich aufgeführt seien. Das erwecke „den konkreten Verdacht, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Camp und der Anschlagsserie gibt“, sagte er.

Nicht ganz zu Unrecht, denn kurz darauf bekannte sich eine „militante antirassistische Gruppe gegen das Imperium“ (Maggi) zu den Anschlägen. Die Aktionen seien, hieß es in einem Bekennerschreiben, als „Begrüßung“ des Camps gedacht gewesen.

Schon da ging der erste Riss quer durch die Hamburger Parteien. Dressel dachte laut darüber nach, das Antirassistische Camp auf Verdacht zu verbieten und fing sich von der Linkspartei den Vorwurf eines „mittelalterlichen Rechtsverständnisses“ ein. Zum Glück jedoch sei „Sippenhaft längst abgeschafft“, belehrte ihn Schneider von der Linken.

Für die Grünen hatte die Parteivorsitzende Katharina Fegebank zunächst „die Idee des Camps und die thematischen Schwerpunkte ausdrücklich begrüßt“. Nach den Anschlägen relativierte dann aber Antje Möller, dass „Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung“ sei. Zugleich wies sie darauf hin, dass „ein Zusammenhang zwischen den Anschlägen und dem Camp durch nichts belegt“ sei.

Selbst CDU-Hardliner Karl-Heinz Warnholz wird da weich. Im Mai vorigen Jahres hatte er nach einer nächtlichen Auseinandersetzung zwischen Autonomen und Polizisten im Schanzenviertel der damals oppositionellen Antje Möller in einer Bürgerschaftsdebatte vorgeworfen, sie wolle „ihre Chaotenfreunde in der Roten Flora in Schutz nehmen“. Jetzt differenziert Warnholz feinsinnig, es sei noch nicht geklärt, „ob es sich um Taten organisierter militanter Teilnehmer des so genannten Klimacamps oder um andere Chaoten handelt“. Das hört der grüne Koalitionspartner gewiss gerne.

Nicht aber die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Hamburg, die klare Kante fordert. Unter dem schwarz-grünen Senat sei „vor lauter ‚Deeskalationsstrategie‘ keine klare innenpolitische Linie mehr zu erkennen“, poltert DPolG-Chef Joachim Lenders. Die Polizei müsse aber die Bevölkerung „vor Übergriffen militanter, aggressiver und gewalttätiger ‚Klimacamper‘ schützen“, so Lenders, der während der Koalition mit der Schill-Partei von 2001 bis 2004 selbst für die CDU in der Bürgerschaft gesessen hatte. Diesen guten alten Zeiten trauert er immer noch hinterher: „Früher wäre so etwas in dieser Stadt nicht hingenommen worden.“