LONG PLAYING RECORD
: Jukebox - Der musikalische Aszendent

Rückwärts, unvergessen: Das war nur ein Moment

Ein Lied. Weiß nicht viel von Geschichte/ weiß nicht viel von Biologie, aber, singt Sam Cooke, was ich weiß, ist, dass ich dich liebe/ und ich weiß, würdest du mich auch lieben/ was für eine wunderbare Welt könnte das sein. What a Wonderful World. So stellt man sich Pop doch am liebsten vor. Ein Treffen von zwei füreinander Bestimmten: Ein Lied, ein Hörer, und plötzlich scheint die Sonne. Also der einzelne Moment, der gerade als Gegenposition zur geschichtlichen Einbindung als konstituierend für Pop gerne und vor kurzem wieder vom Kollegen Gerrit Bartels ins Feld geführt wird, der im Tagesspiegel von „den großen magischen Einzelmomenten, die das Wesen von gutem Pop ausmachen“ schrieb.

Tja.

Wenn damit das Rauschhafte im Popkonsum gemeint ist (und Pop kann einen wie ein Rausch treffen), ist das sicherlich richtig. Rausch kümmert sich nicht um Geschichtlichkeit. Er ist ahistorisch. Das aber ist der Zustand, nicht das Rauschmittel (Pop) selbst, das immer seine ganz spezifische Geschichte kennt. Dass man sich um die nicht unbedingt schert, liegt mit an den jüngeren Jahren der Pophörer, die – auf ihre Gegenwart pochend – nur das interessiert, was gerade oben in der offiziellen oder Hipness-Hitparade steht. Jede neue Nummer eins macht die vorangegangene eins überflüssig. Dieser Halt allein in der Gegenwart verliert sich aber mit der Zeit, weil man halt doch nicht alle verflossenen Nummereinsen weggeschmissen hat. Geschichte. Sie lastet immer schwerer.

Leise raunt bei der Beschwörung des Moments auch noch das Misstrauen gegenüber dem früher nur aus der Hochkunst bekannten „Werk“, gegen das Pop in seinem Kulturkampf doch in den Ring gestiegen sein soll, was aber wirklich nurmehr Schnee von vorgestern ist. Ohne Werk geht gar nichts mehr. Das intensive Bemühen derzeit um Pop in seiner Geschichte – Gerrits Bartels Lob des Moments steckte als kleiner Stachel in einem Text über die deutschen Musikmagazine, die Zukunft nur noch in der Sondierung der Geschichte sehen – liegt daran, dass einem nicht anderes übrig bleibt. Buchstäblich. Eine Resteverwertung auf den Abraumhalden der untergehenden Musikindustrie.

„Das war nur ein Moment“, sang mal Manfred Krug in einem seiner schöneren Lieder. Ein kleiner Rausch in den Siebzigern. Am Samstag und Sonntag tritt Krug beim Blues- und Jazzfestival im Rathaus Köpenick auf. Die Konzerte sind natürlich längst ausverkauft. THOMAS MAUCH