AUSSCHAU NACH ARTGENOSSEN HALTEN BRANDENBURGS SUMPFSCHILDKRÖTEN OFT VERGEBLICH: IM NEUEN SCHUTZGEBIET SOLL SICH DAS ÄNDERN

Im Mittelalter war die Schildkröte weit verbreitet in Mitteleuropa und sehr beliebt – nicht als schnuckeliges Haustier, sondern als Fastenspeise. „Heute gehört sie zu den seltensten Tieren überhaupt in Deutschland“, sagt Norbert Schneeweiß, der Leiter der Naturschutzstation Rhinluch in Linum (Ostprignitz-Ruppin). Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist auch nach 15 Jahren Wiederansiedlungsversuchen nördlich von Berlin akut vom Aussterben bedroht – höchsten hundert Tiere leben dort noch. Um dem scheuen Reptil größere Überlebenschancen zu sichern, erhält es diesen Samstag in Mecklenburg ein weiteres Schutzgebiet. Im Naturpark Feldberger Seenlandschaft, wo einst Sumpfschildkröten heimisch waren, werden 20 junge Tiere ausgesetzt, die in Linum geschlüpft sind. „Neun Jahre haben wir dieses Projekt vorbereitet“, sagt Hartmut Breu, der im Staatlichen Amt für Umwelt und Natur in Neubrandenburg das Vorhaben betreut. Hauptgründe für das Verschwinden der urtümlichen Tiere sind laut Schneeweiß die Nutzung der Landschaft durch Verkehr und Landwirtschaft. Neuerdings kommt jedoch ein gefährlicher Feind hinzu, den die Naturschützer bisher kaum auf der Rechnung hatten – der Waschbär. „Der aus Nordamerika eingewanderte Allesfresser gilt als Schildkrötenliebhaber“, berichtet der Experte aus Linum. Jüngste Funde von Schildkröten ohne Kopf und mit schweren Verletzungen an Gliedmaßen zeigten, dass der Waschbär sich mit seinen beweglichen Pfoten gern über die Tiere in ihren bis zu 20 Zentimeter langen Panzern hermacht. Etwa 30 Prozent der ausgesetzten Schildkröten fielen ihm zum Opfer. „Die idealen Lebensbedingungen für die Schildkröten sind heute nur noch schwer herzustellen“, sagt Breu. Sie glichen zum Teil denen des Waschbärs, der gern in flachen Gewässern nach Krebsen und anderem Getier sucht und dabei die Schildkröten entdeckt. dpa FOTO: ESSLER/IMAGO