Im McCain-Lager herrscht frostiges Klima

Die Republikaner im südwestlichen US-Bundesstaat Arizona regen sich im Wahlkampf vor allem über den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Obama auf. Ihr eigener ist auch nicht sonderlich beliebt. Und sie streiten über die Immigration

Mit Spannung wird in den USA die Entscheidung der beiden Präsidentschaftsbewerber Barack Obama und John McCain über ihre jeweiligen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten erwartet. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Demokrat Obama seine Wahl bis Samstag bekannt gibt. Der Republikaner McCain will unmittelbar nach dem Parteitag der Demokraten seinen „Running Mate“ benennen. Die Convention der Demokraten findet vom 25. bis 28. August in Denver statt. Am 1. September beginnt der Parteitag der Republikaner in St. Paul. AP

AUS TUCSON UND PHOENIX BETTINA GAUS

„Barack Obama ist die furchterregendste Person, die ich je gesehen habe“, erklärt ein alter, hagerer Mann in kurzen Hosen, der bisher schweigend auf einem Plastikstuhl saß. Beifälliges Gelächter. „Ich würde beinahe sagen, er kann nicht als Mensch bezeichnet werden.“ Das Gelächter erstirbt. „Das geht vielleicht doch ein bisschen weit“, sagt eine Frau halblaut.

Etwa 40 Anhänger des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain haben sich in einem schmucklosen Büro der Stadt Tucson im Süden Arizonas versammelt. Bei einem Eis, spendiert aus dem Wahlkampftopf, wollen sie darüber beraten, wie der Senator aus ihrem Heimatstaat am besten ins Oval Office des Weißen Hauses gebracht werden kann. Und vor allem, wie ein Sieg seines Rivalen Barack Obama verhindert werden kann. Das zumindest ist ein Ziel, das sie alle gemeinsam verfolgen. Aber was verbindet sie sonst? Schwer zu sagen.

Von Inhalten ist hier nämlich kaum die Rede, und es wird auch wenig über McCain gesprochen. Obama ist das große Thema. Eine Frau, die in Kuba geboren ist, erinnert er an Fidel Castro. Eine andere, die aus der DDR stammt, vergleicht ihn mit den ostdeutschen Kommunisten. McCain? Na ja. Joyce Martin, die seit 1960 für die Republikaner kämpft, fasst zusammen, was offenbar viele hier denken: „McCain war nicht meine erste Wahl, nicht mal meine dritte. Aber er ist eben jetzt meine erste Wahl.“ Beifälliges Nicken in der Runde. Die republikanische Partei in Arizona ist tief gespalten. Zitieren lassen möchten sich Republikaner mit Äußerungen zum Thema nicht so gern. Aber auf Nachfrage bestätigen Gesprächspartner bedrückt, was die konkurrierenden Demokraten einige Straßenzüge weiter begeistert erzählen: dass der Parteivorsitzende und John McCain lange nicht einmal bereit waren, miteinander zu reden. Wer wissen möchte, wie frostig das Klima ist, muss nur im Hauptquartier der Republikaner in Phoenix nach dem Weg zum Wahlkampfbüro des Senators fragen. Die spontane Antwort: eisiges Schweigen.

Die Wurzeln des Konflikts sind ideologischer Natur. Vielen Evangelikalen und den sogenannten Sozialkonservativen ist der Präsidentschaftskandidat zu liberal. Sie misstrauen ihm vor allem wegen seiner Bemühungen um eine bessere Integration von Immigranten – ein großes Thema in Arizona, wo die hispanische Bevölkerung mehr Kinder bekommt als die euroamerikanischen Einwohner und wo die Latinos 2035 die Mehrheit stellen werden, wenn der Trend anhält. Der Mittelstand aber unterstützt McCain in dieser Frage. Die Wirtschaft ist längst auf die Arbeitskräfte aus Mexiko angewiesen.

Herrscht angesichts des Streits bei den Republikanern nun eitel Freude bei den Demokraten? Weit gefehlt. „Es ist frustrierend, hier zu arbeiten“, sagt Rechtsanwalt Paul Eckerstrom, ein demokratischer Aktivist in Tucson: „Das Team von Obama glaubt nicht, dass wir es reißen können – aber ganz ehrlich: Mit ein bisschen Hilfe könnten wir es schaffen. Es gäbe eine Chance.“

„McCain war nicht meine erste Wahl. Aber er ist eben jetzt meine erste Wahl“

Zumindest gäbe es wohl eine realistische Chance auf Stimmenzuwächse. 28 Prozent der registrierten Wähler in Arizona sind laut jüngsten Umfragen noch unentschlossen. Eine ungewöhnlich hohe Zahl. Hinzu kommt, dass die Zahl der unabhängigen Wähler seit 2004 um 12 Prozent gestiegen ist – eine Entwicklung, die den Demokraten zu vier der acht Kongressmandate verholfen hat.

Aber im Wahlkampf in den USA geht es eben nicht um jeden einzelnen Wähler und jede einzelne Wählerin, sondern um den Staat als Ganzes. Der Sieger eines Bundesstaates bekommt alle Stimmen der Wahlmänner aus diesem Staat bei der Präsidentschaftswahl. Von besonderer Bedeutung für die Kandidaten sind also nur die Staaten, in denen der Ausgang ungewiss ist. In Arizona hat McCain einen komfortablen Vorsprung von 10 Prozent vor Obama. Was dazu führt, dass beide Bewerber weder Kraft noch Geld hier investieren möchten.

Wie kann man Leute unter diesen Umständen überhaupt für einen Graswurzelwahlkampf motivieren? „Eine hohe Wahlbeteiligung ist gut fürs Prestige“, erklärt Ray Carroll, ein führenden Republikaner in Arizona. Das ist als Antwort ein bisschen dürftig.