„Ich arbeite, weil ich sonst krank werde“

Ahmud wohnt seit 2002 in einem Bremer Asylbewerberheim. Sein Zimmer teilt er sich mit zwei anderen Flüchtlingen

Migranten, die der Staat nicht abschieben kann, werden nicht selten viele Jahre „geduldet“, anstatt ihnen eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zu reisen, zu arbeiten oder zu studieren ist ihnen verboten. Die psychosozialen Folgen sind gravierend. In Bremen leben 2.600 Geduldete – oft völlig isoliert. Die taz stellt einige von ihnen vor.

Die Regierungen von Ländern wie Kanada haben Programme aufgelegt, um Menschen wie ihn ins Land zu locken. „Skilled Worker Class Immigration“ heißt das dort. Ahmud N., wie er hier heißen soll, hat zwei abgeschlossene Hochschulstudien vorzuweisen, ebenso wie mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und mittlerweile spricht er fließend Deutsch. Doch nützen tut dies Ahmud kaum etwas, denn Deutschland ist nicht Kanada.

So wohnt Ahmud seit sechs Jahren in einem Bremer Asylbewerberheim. Sein Zimmer, 35 Quadratmeter, teilt er sich mit zwei anderen. Ob sie sich verstehen? Eigentlich, so sagt er, „geht das nicht“. „Die Menschen“, seine Mitbewohner, seien „zu verschieden“. Nicht einmal kochen tun sie gemeinsam. Wenigstens sprechen sie dieselbe Sprache.

Knapp 100 Euro überweist ihm das Sozialamt im Monat. Wie man davon leben könne, wisse er nicht. Vor Jahren hat er erfolglos eine Arbeitserlaubnis beantragt. Seitdem arbeitet er schwarz in einem Elektrogeschäft. Die Bedingungen, die er mit dem Inhaber, einem Landsmann, ausgehandelt hat, sind nur in der Schattenwirtschaft denkbar: 10 Euro bekommt er pauschal pro Tag – mal für eine halbe Stunde Arbeit, mal auch für sechs Stunden.

Doch den Job tue er gar nicht unbedingt wegen des Geldes, sondern „wegen der Gesundheit.“ Ob er an etwas leide, dass ihm andere Tätigkeiten unmöglich mache? Er verneint. „Ich arbeite, weil ich sonst krank werde.“ Krank? „Verrückt.“ Er kenne das von seinen Zimmergenossen. Diese schliefen bis Mittag und verdösten die übrige Zeit mit Kartenspielen. „Du kannst dir selber denken, was das nach ein paar Jahren mit Dir macht.“

Abends hilft er noch in einem Imbiss von Bekannten aus. Im Heim erträgt er es nicht. Auch deshalb nicht, weil er nicht wolle, „dass andere Leute länger für meine Wohnung bezahlen. Ich kann arbeiten, ich will das selber machen.“ Am liebsten würde er in einem der Jobs arbeiten, die er gelernt hat. Doch daran, die in Deutschland nötigen Zusatzqualifikationen zu erwerben, ist nicht zu denken, solange die Ausländerbehörde seinen Aufenthalt nicht „verfestigt“. Und danach sieht es im Moment nicht aus, auch wenn sein Anwalt ihm immer wieder versichert, dass dies nur eine Frage der Zeit sei.

Er möchte nicht klingen, als ob ihm alles missfalle. Die Gesundheitsversorgung etwa, die sei „sehr in Ordnung“, ebenso wie die Stadt: „Bremen ist wirklich sehr schön, aber wenn man es nicht verlassen darf, fühlt man sich wie im Gefängnis.“ Ob er weg möchte? „Nein.“ Eine andere Stadt, ein anderes Land? „In meine Heimat kann ich nicht zurück und woanders kenne ich niemand.“ Hier sei das mittlerweile anders. „Und außerdem habe ich jetzt die Sprache gelernt. Jetzt bleibe ich hier.“

Christian Jakob