Guter Tropfen aus dem Norden

Das Land Schleswig-Holstein weist mit Unterstützung von Rheinland-Pfalz ein neues Weinbaugebiet mit der Größe von 10 Hektar aus. Die ersten Trauben werden in zirka drei Jahren geerntet und der Höchstertrag wird bei 100.000 Litern liegen

von ESTHER GEIßLINGER

„Moin, moin“, wandte sich User Wolfgang an ein Internetforum von Weinfreunden und fragte, ob jemand von Weinbauaktivitäten in Schleswig-Holstein wisse. Die Szene schwieg ratlos. Anders ging es dem Landwirtschaftsministerium, dem verhinderte Winzer offenbar die Türen einrannten: „Von verschiedenen Seiten“ sei der Wunsch vorgebracht worden, den Norden zum Weinbaugebiet machen zu dürfen, teilte das Ministerium mit und handelte entschlossen: Das Land sicherte sich das Recht, zehn Hektar für Reben auszuweisen.

Schleswig-Holstein nutzte damit eine letzte Chance: Im August trat eine EU-Weinmarktordnung in Kraft, die die Übertragung von Weinbaurechten verbietet. Um den Rebenstandort fristgerecht umzulagern, war eine Eilverordnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums notwendig. Die zehn Hektar erhielt Schleswig-Holstein von Rheinland-Pfalz. „Die waren bei uns wohl übrig“, sagt Andrea Adams, Sprecherin des dortigen Winzerverbandes.

Ein besonderer Verlust ist das nicht: Die Rheinland-Pfälzer bauen in Rheinhessen auf rund 26.300 und in der Pfalz auf 23.390 Hektar Wein an. Die Konkurrenz aus Schleswig-Holstein sehen die südlichen Winzer daher gelassen: „Ich glaube kaum, dass viel davon in den Handel kommt“, sagt Adams. Denn aus einem Hektar Reben können maximal 10.000 Liter Wein gekeltert werden. Der rechnerische Höchstertrag des Schleswig-Holsteinischen Weinfeldes dürfte damit bei 100.000 Litern liegen – angesichts der 2,8 Millionen Landeskinder gilt da das Motto der Feuerzangenbowle: Jeder nur einen winzigen Schluck.

Dennoch stellt der „Schleswig-Holsteinische Landwein“ auf jeden Fall einen Rekord auf: Egal wo im Land die Weinstöcke gepflanzt werden, sie bilden das nördlichste kommerzielle Anbaugebiet Deutschlands. Bisher ging dieser Titel nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort, bei Schloss Rattey zwischen Neubrandenburg und Pasewalk in den Brohmer Bergen, gründete sich der „Verein der Privatwinzer zu Rattey“, der seit 1999 auf vier Hektar Wein anbaut. Die 7.000 Weinstöcke sind im Besitz der etwa 530 Vereinsmitglieder.

Das Anbaugebiet in Schleswig-Holstein könnte auf Fehmarn liegen, da die Insel die höchste Zahl von Sonnenstunden aufweist. Allerdings meldete sich inzwischen die Bundestagsabgeordnete Christel Happach-Kasan (FDP) zu Wort. In den Kieler Nachrichten machte sich die Agrarfachfrau für ein Anbaugebiet in ihrem Heimatkreis Herzogtum Lauenburg stark: Sie selbst habe einen Rebstock vor der Haustür, „Weinbau am Elbhang ist keine Fantasterei“. Auch der Hamburger Senat bewirtschafte oberhalb des Hafens eine Fläche, auf der die Trauben für den „Stintfang Cuvée“ wachsen, sagte Happach-Kasan.

Das Kieler Landwirtschaftsministerium hält sich bisher bedeckt. Bekannt ist weder, wer die Interessenten sind, noch woher sie kommen und welche Trauben sie anbauen wollen. Nach der Sommerpause sollen aber die gesetzlichen Weichen für den Anbau gestellt sein.

Eine gesetzlich geregelte Weinkontrolle allerdings gibt es bereits jetzt: Eine der wichtigsten Aufgaben der Fachleute lag bisher darin, Glühwein auf Weihnachtsmärkten zu kontrollieren, so das Ministerium. Im neuen Weinerzeugerland kommen nun weitere Aufgaben auf die Kontrolleure zu. Bis sie die ersten landeseigenen Weine Probe trinken dürfen, wird jedoch noch etwas Zeit vergeben: „Bis zur ersten Ernte dauert es zwei, drei Jahre“, sagt Winzersprecherin Adams. Richtig gute Erträge brächten erst noch ältere Reben. Daher ließe sich erst dann etwas über die Qualität des Nordweins sagen.

Bis dahin können Weinfreunde noch weiter nach Norden schauen: Dänemark ist seit dem Jahr 2000 anerkanntes Weinbaugebiet. Auf 99 Hektar Land wächst dort unter anderem die rote Rondo-Traube.