urdrüs wahre kolumne
: Welches Gespenst ist es denn?

Mit einer charmant-heroischen Version des „Schimmelreiters“ hat sich das Freilichttheater Dangst seinerzeit in die verfetteten Herzmuskeln des Schreibers dieser Zeilen gespielt und so hat er den Bühnenfreaks von der Nordsee auch ihre diesjährigen Bemühungen um das Leben des Friesenhäuptlings Edo Wiemken kaum übel genommen – draußen ist fast alles schön, wenn das Bier kalt und die Luft noch warm genug ist. Jetzt aber ist aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu hören, dass einer der Hauptdarsteller, der authentische Renn-Ochse Lothar, zwar nach der Premiere mit Äpfeln belohnt wurde, aber nach dem letzten Spieltag geschlachtet werden soll – „weil er zu viel gelernt hat und ihm das zu Kopf gestiegen ist“. Störtebeker komm und wehre den Barbaren von der Theaterspielleitung!

In Bremerhaven dagegen haben Polizisten dieser Tage ein fast lebloses Shetlandpony von einer verwilderten Weide geborgen und vor dem sicheren Tod gerettet: Freund und Helfer – es geht doch!

Wäre ich der Chef des Heide Parks – ich würde mir zu den Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag an diesem Wochenende jene überwiegend jungen Menschen in die größte Holzachterbahn der Welt als Ehrengäste laden, die jetzt in kreativer Vermummung in der Ausländerabteilung des Bezirksamts Hamburg-Eppendorf nachdrücklich und in roter Farbe dafür demonstrierten, dass das Menschenrecht auf mehrfache Loopings, Popcorn und Wildwasserbahn für Menschen aller Nationen und Herkunftsländer gilt. Dass die unglückseligen Mitarbeiter dieser Behörde auch noch nach Hause geschickt wurden, „weil sie so schockiert sind“, gibt dieser Tat allerdings schon mal ihre Belohnung in sich selbst.

Als einer der Gründer der Universellen Kirche des bislang noch ziemlich klandestin wirkenden evangelisch-müntzerischen Bekenntnisses begrüße ich es außerordentlich, dass die Johanniskirche in Hamburg-Altona am kommenden Sonntag um 18 Uhr zu einem Gottesdienst aus Anlass der 125-jährigen Existenz des kommunistischen Manifests lädt – auch wenn aktuell ganz andere Gespenster durch Europa gehen?

Sommerbiwak der 1. Bundeswehr-Panzerdivision im hannoverschen Stadtpark – und das in einer Stadt, wo man mit Fleiß, Schlagstock und absurder Klassik-mit-World-Music aus den Kanalrohren vorm Hauptbahnhof Penner und Punks vertreibt und dabei den Betroffenen nicht mal das Schützenbruder-Recht auf öffentliches Trinken einräumt. Irgendwie bin ich ganz froh, das ich anno 68 mit meiner Kampagne auf Umbenennung dieses Gemeinwesens in „Kurt-Schwitters-Stadt“ gescheitert bin, denn es wäre wirklich keine angemessene Ehrung des großen Mertzbau-Dada, sein Andenken auch noch mit so einer Sozialbaracke zu belasten.

Stolze 6,95 Promille erpustete jetzt im nicht-olympischen Wettbewerb ein anonymer Lüneburger. Vermutlich ist der Mann auch noch Kraftfahrer, Hundehalter und wirtschaftsliberales Mitglied von ADAC, FDP und Rechtschutzversicherung, befürchtet jedenfalls ULRICH „Bahncard“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, will nun aber auch niemanden dazu ermutigen, mit roter Farbe zu hantieren.